RVG §§ 45 ff.; FamFG § 78 Abs. 3; ZPO § 121 Abs. 3
Leitsatz
Einer Einschränkung der Anwaltsbeiordnung im Rahmen bewilligter PKH/VKH auf die kostenrechtlichen Bedingungen eines im Bezirk des Prozess-/Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts kann im Einzelfall der Grundsatz des fairen Verfahrens durchgreifend entgegenstehen; dies gilt namentlich dann, wenn über die PKH/VKH trotz bereits zuvor vorliegender Bewilligungsreife erst im oder nach dem Verhandlungstermin entschieden wird und vorab kein rechtzeitiger Hinweis auf eine etwaige Einschränkung der Beiordnung erfolgt ist.
OLG Celle, Beschl. v. 29.2.2012 – 10 WF 37/12
1 Sachverhalt
Der in E. lebende Antragsteller ist der nichteheliche Vater der fünfjährigen J., für die die elterliche Sorge der bis dahin alleinsorgeberechtigten Kindesmutter entzogen und dem Jugendamt des Landkreises Uelzen übertragen worden ist. J. lebt bereits seit rund zweieinhalb Jahren in einer Pflegefamilie; Kontakte zwischen J. und der Kindesmutter finden lediglich viermal jährlich über zwei bis drei Stunden statt, Kontakt zum Kindesvater hatte J. zuletzt während ihres ersten dreiviertel Lebensjahres, als sie noch in dem damals gemeinsamen Haushalt der Kindeseltern in E. lebte.
Nachdem seit längerer Zeit andauernde Bemühungen des Antragstellers um Umgangskontakte an der solche vollständig ablehnenden Haltung des Jugendamtes gescheitert waren, hat er im vorliegenden Verfahren eine gerichtliche Umgangsregelung mit J. begehrt und für das Verfahren um Verfahrenskostenhilfe (VKH) unter Beiordnung seines in E. niedergelassenen Verfahrensbevollmächtigten nachgesucht.
Das AG hat für J. einen Verfahrensbeistand bestellt, den Antragsteller zur Vervollkommnung der Angaben und Belege zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angehalten, eine Stellungnahme des Jugendamtes eingeholt und Termin zur Anhörung der Beteiligten auf den 16.1.2012 anberaumt. Eine schriftsätzlich geäußerte Bitte des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers um Verlegung der Terminsstunde aufgrund der längeren Anreise von E. nach Uelzen (Entfernung rund 350 km) ist im Rahmen eines persönlichen Telefonates der Amtsrichterin mit dem Verfahrensbevollmächtigten am 9.12.2011 geklärt worden. Am 10.1.2012 lagen dem AG die ergänzend erforderten Angaben und Belege des Antragstellers zur VKH vor.
Im Termin vom 16.1.2012 ist der Antragsteller durch eine Rechtsanwältin aus der Sozietät seines Verfahrensbevollmächtigten vertreten worden; nach dem Bericht des Verfahrensbeistandes sowie der Anhörung von Antragsteller und Jugendamt haben letztere zunächst die Durchführung von Gesprächen auf Erwachsenenebene vereinbart, ein weiterer Termin vor dem AG soll nur auf Antrag aus dem Kreis der Beteiligten stattfinden.
Nach Abschluss des Termins hat das AG am selben Tag über das VKH-Gesuch des Antragstellers entschieden; dabei hat es diesem VKH bewilligt und ihm seinen Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet, die Beiordnung aber auf die kostenrechtlichen Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichtes niedergelassenen Rechtsanwaltes beschränkt.
Gegen diesen, ihm am 24.1.2012 zugestellten Beschluss hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers am 30.1.2012 – wie nach Hinweis des Senates und entgegen der ursprünglichen Bezeichnung noch innerhalb der Beschwerdefrist klargestellt worden ist: im eigenen Namen – sofortige Beschwerde eingelegt und – unter pauschaler Berufung auf verschiedene Fundstellen aus der Rspr. – seine uneingeschränkte Beiordnung begehrt.
Das AG hat der Beschwerde unter Hinweis auf § 78 Abs. 3 FamFG nicht abgeholfen; der Einzelrichter hat die Sache zur Entscheidung auf den Senat übertragen.
2 Aus den Gründen
1. Die im eigenen Namen form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen die Einschränkung seiner Beiordnung ist zulässig (vgl. zum eigenen Beschwerderecht des Anwalts: Senatsbeschl. v. 28.4.2011 – 10 WF 123/11, FamRZ 2011, 1745 f. = MDR 2011, 984 = NdsRpfl 2011, 240 = AGS 2011, 356 = JurBüro 2011, 486).
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt in Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses zu seiner kostenrechtlich uneingeschränkten Beiordnung.
Dabei kann dahinstehen, ob vorliegend tatsächlich sachlich die besonderen Voraussetzungen dafür vorlagen, dass unter Beachtung des Grundsatzes des Mehrkostenverbotes aus § 78 Abs. 3 FamFG (entsprechend § 121 Abs. 3 ZPO) dem Antragsteller sein auswärtiger Anwalt uneingeschränkt beigeordnet werden konnte.
Denn dem AG war es jedenfalls mit Rücksicht auf das Gebot eines fairen Verfahrens verwehrt, eine derartige Einschränkung vorzunehmen, nachdem es weder – trotz bereits vorher eingetretener Bewilligungsreife – vor dem Anhörungstermin über die VKH unter der entsprechenden kostenrechtlichen Einschränkung der Beiordnung entschieden hatte noch dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers einen Hinweis erteilt hatte, dass es eine kostenrechtlich eingeschränkte Beiordnung in Betracht ziehe. Ein derartiger Hinweis war im Streitfall um so mehr geboten, al...