RVG §§ 7 Abs. 1, 22; BGB § 254 Abs. 2
Leitsatz
- Vertritt der Anwalt mehrere aus demselben Verkehrsunfall Geschädigte, die jeweils eigene Schadensersatzansprüche geltend machen, so sind verschiedene Angelegenheiten gegeben, sodass der Anwalt seine Gebühren jeweils gesondert aus den Werten der einzelnen Schadensersatzansprüche abrechnen kann.
- Die Geschädigten sind nicht verpflichtet, den Anwalt gemeinsam zu beauftragen.
AG Mülheim, Urt. v. 3.5.2012 – 23 C 1958/11
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte außergerichtlich insgesamt drei Auftraggeber vertreten, denen unterschiedliche Schadensersatzansprüche aus demselben Verkehrsunfall entstanden waren. Dabei war der Anwalt von jedem Aufraggeber gesondert beauftragt worden. Demzufolge rechnete er seine Vergütung auch jeweils gesondert aus dem jeweiligen Erledigungswert ab.
Der Haftpflichtversicherer war der Auffassung, es liege nur eine Angelegenheit vor; jedenfalls hätten die Geschädigten den Anwalt nur gemeinschaftliche beauftragen dürfen. Der Versicherer hat die Anwaltskosten daher nur insoweit beglichen, als sie aus dem Gesamtwert aller Ansprüche angefallen wären.
Die Klage auf Zahlung der weiteren Vergütung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Kläger hat aufgrund des Verkehrsunfalls gegen die Beklagte den verfolgten weiteren Schadensersatzanspruch nach den §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG auf Zahlung von 93,42 EUR.
Die von dem Klägervertreter vertretenen Anspruchsteller sind nicht derart eng miteinander verbunden gewesen und ihre Ansprüche sind nicht derartig gleichartig gewesen, dass es sich um eine Angelegenheit gehandelt hätte und die anwaltlichen Gebühren nach dem zu ermittelnden Gesamtstreitwert abzurechnen gewesen wären.
Die Klägervertreter hatten für den Kläger insbesondere Schmerzensgeldansprüche verfolgt, daneben Ansprüche der Fahrzeughalterin und Ansprüche einer weiteren Beteiligten geltend gemacht.
Der für die Gebührenansprüche maßgebende Wert jeder Angelegenheit hat sich nach den jeweils verfolgten Ansprüchen gerichtet. Wie weit die drei Anspruchsteller mit ihren Forderungen durchdrangen, hat hier aus diversen Gesichtspunkten unterschiedlich sein können. Das wäre dem jeweiligen Anspruchsteller zuzurechnen gewesen, hätte aber keinen Einfluss auf die gesamten der den Klägervertretern zustehenden Gebühren haben dürfen.
Da also hier die Ansprüche der drei Anspruchsteller nicht einheitlich zu behandeln gewesen sind, ist kein Gesamtstreitwert zu bilden gewesen und die Abrechnung der anwaltlichen Gebühren hat für jeden Anspruchsteller einzeln erfolgen müssen.
3 Anmerkung
Drei kleine Negerlein, die hatten einen Unfall; da kamen sie zur Versicherung, da war es nur noch einer.
Mit ein wenig Humor lässt sich so das Regulierungsverhalten einiger Haftpflichtversicherer beschreiben, dem das AG Mülheim eine zutreffende, wenn auch etwas knapp begründete Absage erteilt hat.
Auf Deutschlands Straßen geschieht es immer wieder:
A, stolzer Halter und Fahrer eines nicht ganz preiswerten Neuwagens beschließt, seine Neuerwerbung gebührend vorzuführen, indem er einen in der Nachbarschaft wohnenden Angestellten seines Unternehmens ebenso zum Hauptbahnhof mitnimmt wie den zwei Häuser entfernt wohnenden Nachbarn, der eigentlich mit dem Bus fahren wollte.
Auf der Fahrt zum Hauptbahnhof kommt es, wie es oftmals so kommen muss: A gerät in einen unverschuldeten Unfall, bei dem sein Neuwagen erheblich beschädigt und seine beiden Mitfahrer nicht unerheblich verletzt werden.
Da A seit langem mit einem besonders versierten Fachanwalt für Verkehrsrecht befreundet ist, will er seine zufälligen Mitfahrer von der Verbindung profitieren lassen und schlägt vor, dass alle drei ihre Ansprüche vom Fachanwalt durchsetzen lassen.
Durch Vermittlung von A kann ein Termin beim Fachanwalt für alle drei zum gleichen Zeitpunkt relativ schnell vereinbart werden und mit dem Einverständnis aller Beteiligten wird die Unfallschilderung in Anwesenheit aller drei Mandanten in einem gemeinsamen Gespräch aufgenommen.
Alsdann legt der Fachanwalt – ordnungsgemäß – drei verschiedene Akten an, verfolgt die Ansprüche seiner höchst unterschiedlichen Mandanten – unter Einhaltung der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung – weiter und zwar mit dem schönen Ergebnis, dass A seinen Schaden in Höhe von 20.000,00 EUR Reparaturkosten in vollem Umfang ersetzt erhält und die beiden anderen für ihre nicht unerheblichen Verletzungen Schmerzensgelder in Höhe von jeweils 5.000,00 EUR bekommen.
Nach der Abrechnung erlebt unser Fachanwalt allerdings eine kleine Überraschung. Die von ihm in den unterschiedlichen Akten erstellten Rechnungen werden nicht gezahlt, sondern die Versicherung möchte gerne eine einheitliche Geschäftsgebühr aus einer Art Gesamtstreitwert von 30.000,00 EUR zur Verfügung stellen.
Begründet wird diese – rechtlich sicherlich überraschende, in der Praxis aber immer wieder anzutreffende – Auffassung damit, es gehe doch um ein und denselben Verkehrsunfall, damit um einen einheitlichen Lebenssachverhalt und glücklicherweise hätten alle Geschädigten ja auch den gleichen Anwalt genomme...