Die Entscheidung ist. m.E. unzutreffend.
Die Klägerin hatte uneingeschränkten Deckungsschutz für das beabsichtigte Berufungsverfahren i.H.v. 74.272,00 EUR gewährt und sogar die angefallene Verfahrensgebühr nach dem vollen Wert beglichen. Sie hat den Deckungsschutz keineswegs eingeschränkt und ihre Deckungsschutzzusage nicht von der Erfolgsaussicht der Berufung abhängig gemacht. Entsprechend dem Auftrag des Versicherungsnehmers ist auch zunächst einmal uneingeschränkt Berufung eingelegt worden.
Es war weder so,
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dass der Berufungsauftrag dahingehend beschränkt war, die Berufung nur in dem Umfang der späteren Begründung einzureichen, noch |
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bestand zunächst nur ein Auftrag, die Erfolgsaussicht der Berufung zu prüfen und erst dann im Rahmen der positiven Prüfung die Berufung einzulegen. |
Im letzteren Fall wäre zugegebenermaßen so abzurechnen, wie von AG und LG vorgenommen. Ein solcher isolierter vorgeschalteter Prüfungsauftrag bestand jedoch nicht.
Vielmehr waren den Beklagten – auch in Anbetracht des drohenden Fristablaufs – zunächst einmal vom Versicherungsnehmer der Auftrag erteilt worden, uneingeschränkt Berufung einzulegen.
Die Beklagten haben dann weisungsgemäß Berufung eingelegt und sodann innerhalb der verlängerbaren Berufungsbegründungsfrist geprüft, inwieweit die Berufung tatsächlich durchgeführt werden solle.
Das bedeutet, dass die Prüfungstätigkeit für die Erfolgsaussicht der Berufung nicht gesondert nach Teil 2 VV RVG (Nr. 2100 VV RVG) abzurechnen war, weil kein gesonderter Auftrag für eine außergerichtliche Tätigkeit bestand. Vielmehr war bereits der gerichtliche Auftrag für das Berufungsverfahren erteilt, und zwar uneingeschränkt. Es war uneingeschränkt der Auftrag erteilt worden, die Berufung einzulegen. Lediglich der Begründungsauftrag war noch nicht in vollem Umfang erteilt. Dieser sollte von weiteren Prüfungen abhängig gemacht werden.
Das aber wiederum hat zur Folge, dass nun einmal die Gebühren nach Teil 3 VV RVG angefallen waren und damit kein Raum mehr für eine selbstständige Prüfungstätigkeit bestand. Vielmehr zählten die Prüfungstätigkeiten, ob und inwieweit die Berufungstätigkeiten auch durchgeführt werden sollten, nach § 19 Abs. 1 S. 1 RVG zum gerichtlichen Verfahren.
Es verhält sich hier nicht anders wie z.B. in einstweiligen Verfügungsverfahren. Erscheint der Mandant mit einer einstweiligen Verfügung und beauftragt er den Anwalt, dann entsteht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG. Rät der Anwalt dann nur zu einem Teilwiderspruch oder einem Kostenwiderspruch, dann entsteht dennoch die Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert. Sie ist lediglich zu unterschiedlichen Gebührensätzen abzurechnen, nämlich zu 1,3, soweit der Widerspruch durchgeführt wird, und zu 0,8, soweit er nicht durchgeführt wird.
Genau so verhält es sich in einem Berufungsverfahren. Auch hier ist eine Zweistufigkeit gegeben. Zunächst einmal wird die Berufung eingelegt, wodurch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG anfällt. Soweit die Berufung durchgeführt wird, bleibt es bei der vollen 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG.
Soweit von der Durchführung der Berufung abgeraten wird, liegt ein Fall der vorzeitigen Erledigung nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG vor, sodass sich die Verfahrensgebühr insoweit auf 1,1 ermäßigt.
Im Anschluss daran ist dann nach § 15 Abs. 3 RVG zu kürzen. Es darf nicht mehr anfallen als eine 1,6-Verfahrensgebühr aus dem Gesamtwert.
Dass so zu rechnen ist, ist in der Kommentarliteratur – soweit ersichtlich – unstreitig. Die vom LG angegebene Fundstelle aus Gerold/Schmidt bestätigt daher auch nicht die Auffassung des LG. Das Gericht beruft sich hier auf ein Berechnungsbeispiel, das einen anderen Fall betrifft. An der zutreffenden Stelle heißt es dort vielmehr:
“3. Teilweise vorzeitiges Ende
Beispiel
Erhält der erstmals in der Angelegenheit tätige RA den Auftrag, gegen ein Urteil (Wert 15.000,00 EUR) insgesamt Berufung einzulegen, rät er aber wegen eines Teiles von 10.000,00 EUR ab, Berufung einzulegen, und legt er auftragsgemäß nur wegen 5.000,00 EUR Berufung ein, so verdient er
1,6 Verfahrensgebühr gem. VV 3200 aus 5.000,00 EUR |
481,60 EUR |
1,1 Verfahrensgebühr gem. VV 3201 Anm. S. 1 Nr. 1 aus 10.000,00 EUR |
534,60 EUR |
Summe |
1.016,20 EUR |
wegen § 15 Abs. 3 jedoch nicht mehr als 1,6 Verfahrensgebühr |
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gem. VV 3200 aus 15.000,00 EUR |
905,60 EUR |
Die Bestimmung des § 47 Abs. 1 GKG steht nicht entgegen.
Anders ist es, wenn der Mandant den RA nur wegen einer Berufung über 5.000,00 EUR beauftragt hat. Dann fällt nur eine 1,6-Verfahrensgebühr aus 5.000,00 EUR an.
Noch anders ist es, wenn der Mandant erst einmal den RA um Rat fragt, ob und in welcher Höhe er Berufung einlegen soll, und dann entsprechend dem Rat des RA Berufung nur wegen 5.000,00 EUR eingelegt wird. Dann bestand zunächst ein Beratungsauftrag mit einem Wert von 15.000,00 EUR und dann ein Prozessauftrag für das Berufungsverfahren i.H.v. 5.000,00 EUR.“
Danach war zutreffend wie folgt zu rechnen:
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 320... |