FamFG § 76
Leitsatz
Die im Rahmen bewilligter Prozess-/Verfahrenskostenhilfe dem Bedürftigen zwecks Wahrnehmung eines Gerichtstermins entstandenen Reisekosten können auch auf seinen nachträglichen Antrag hin erstattet werden, wenn dieser Antrag alsbald nach dem Termin gestellt wird.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.3.2012 – 9 UF 128/11
1 Aus den Gründen
Nach inzwischen ganz vorherrschender und vom Senat geteilter Auffassung in Rspr. und Lit. sind der bedürftigen Partei entstandene Reisekosten im Rahmen bewilligter Prozess-/Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich auch dann zu erstatten, wenn die Partei dies erst verlangt, nachdem sie die Kosten zunächst verauslagt hat. Die Partei braucht sich die Ausgabe nicht etwa vorher "genehmigen" zu lassen. Entscheidend ist allein, ob sie den verauslagten Betrag entbehren kann, ohne über das Maß des § 115 ZPO hinaus belastet zu werden.
Beantragt die Partei die Kostenerstattung allerdings nicht vor bzw. während des Termins oder zumindest im unmittelbaren Anschluss an den Termin, zu welchem ihr persönliches Erscheinen angeordnet war, kann dies gegen ihre Mittellosigkeit sprechen. Dies ist der Fall, wenn die nachträgliche Antragstellung nicht alsbald erfolgt (vgl. OLG Zweibrücken OLGR 2006, 196; Horndasch/Viefhues/Götsche, FamFG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn 145; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 5. Aufl., Rn 622). Denn mit einer i.d.S. verspäteten Antragstellung verdeutlicht die Partei, dass sie auf die Reisekostengewährung nicht zwingend angewiesen war; wer längere Zeit ohne die Erstattung dieser Kosten auskommt, zeigt, dass er die Reisekostenentschädigung nicht dazu braucht, um eine der Terminswahrnehmung entgegenstehende Mittellosigkeit zu bewältigen (Brandenburgisches OLG JurBüro 1996, 142).
In welchem Zeitrahmen eine nachträgliche Antragstellung noch alsbald erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Antragstellung sechs Wochen (OLG Zweibrücken JurBüro 1989, 233, 235) oder sieben Wochen (Brandenburgisches OLG JurBüro 1996, 142) nach dem Termin ist jedenfalls verspätet. Vorliegend ist der Antrag erst nach Ablauf von rund elf Wochen beim AG, sodann erst nach drei Monaten beim zuständigen Brandenburgischen OLG eingegangen und somit erkennbar verspätet gestellt worden. Die nachträgliche Bewilligung scheidet daher aus.