BGB §§ 194 ff.; RVG §§ 3a ff.
Leitsatz
Eine auf eine (unwirksame) anwaltliche Honorarvereinbarung gestützte Honorarklage hemmt wegen des einheitlichen Streitgegenstands auch die Verjährung des gesetzlichen Vergütungsanspruchs. Das gilt auch dann, wenn der Anwalt in der Klageschrift nicht auch zu den Voraussetzungen des gesetzlichen Gebührenanspruchs vorträgt.
OLG Hamm, Urt. v. 11.10.2011 – I-28 U 78/11
1 Sachverhalt
Der Kläger verlangt von den Beklagten Anwaltsgebühren für zahlreiche außergerichtliche Beratungsmandate aus den Jahren ab 2003. Zunächst hat der Kläger die im Juli 2009 erhobene Klage auf nachträgliche Honorarvereinbarungen mit dem Beklagten gestützt. Nachdem sich deren Unwirksamkeit herausgestellt hat, stützt der Kläger seinen Anspruch auf gesetzliche Gebührenforderungen.
Das LG hatte die Klage wegen Eintritts der Verjährung abgewiesen. Da die Klage auf die vereinbarte Vergütung gestützt worden sei, habe sie den Ablauf der Verjährung für die gesetzliche Vergütung nicht hemmen können.
Das OLG hat das Urteil des LG aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen
…
4. Die im Juni 2009 erhobene Klage hatte verjährungshemmende Wirkung auch im Hinblick auf gesetzliche Anwaltsgebühren. Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) beginnt mit der Erledigung des Auftrags bzw. mit der Beendigung der Angelegenheit (§ 8 Abs. 1 S. 1 RVG). Soweit gem. § 61 RVG vor dem 1.7.2004 noch die BRAGO anwendbar ist, richtet sich dies nach § 16 BRAGO. Für alle Forderungen, die auf im Jahr 2006 und später beendeten Mandaten beruhen, wurde die Anspruchsverjährung durch die Klageerhebung im Juni 2009 gehemmt. Gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch die Klage auf Leistung gehemmt. Nach std. Rspr. ist sowohl für den Umfang einer Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch für den Umfang der Rechtskraft der den prozessualen Anspruch bildende Streitgegenstand maßgebend. Dieser wird durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt. Die Grenzen der Verjährungshemmung sind grundsätzlich mit denen der Rechtskraft kongruent (BGHZ 132, 240, 243; 151, 1, 2; BGH, Urt. v. 1.3.2009 – IV ZR 224/07, NJW 2009, 1950).
a) Im Ansatzpunkt zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass vereinbartes und gesetzliches Honorar einen Streitgegenstand bilden und nicht verschiedene Ansprüche sind (siehe BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 270/02, NJW 2004, 1169). Das hat auch der Senat bereits im ersten Berufungsurteil in dieser Sache ausgeführt. Der hier maßgebliche Lebenssachverhalt ist die dem Anwalt durch Vertrag übertragene Tätigkeit. Sowohl der Anspruch auf vereinbartes und als auch der Anspruch auf gesetzliches Honorar beruhen auf ein und derselben anwaltlichen Leistung. Die Änderung eines zunächst nach den gesetzlichen Gebührenvorschriften zu berechnenden Honoraranspruchs durch spätere besondere Vereinbarungen lässt die Grundlage des Vergütungsanspruchs – den Anwaltsvertrag und dessen Ausführung – unberührt (BGH, Urt. v. 4.7.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774 [= AGS 2003, 15]).
Nach diesen Grundsätzen hat die im Juni 2009 erhobene Klage die Verjährung des Honoraranspruchs des Klägers insgesamt gehemmt. Zwar hat der Kläger zunächst nur Umstände dargelegt, die dazu bestimmt waren, einen Anspruch auf vereinbartes Honorar vorzutragen. Die Zustellung einer Klage, die – wie im vorliegenden Falle – den Voraussetzungen des § 253 ZPO entspricht, hemmt die Verjährung aber auch dann, wenn die Klagebegründung keine (oder keine vollständig) schlüssige Darlegung des Klageanspruchs enthält; diese kann während des Rechtsstreits jederzeit nachgeholt werden (BGH, Urt. v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486 [= AGS 1998, 177]).
Daran ändert es nichts, dass der Kläger Klage im Urkundenprozess erhoben hat. Im Fall der Klageabweisung als unbegründet nach § 597 Abs. 1 ZPO wäre der Anspruch insgesamt aberkannt gewesen. Denn eine rechtskräftige Sachabweisung hindert jeden neuen Prozess, unabhängig davon, ob die Klage im ordentlichen Verfahren oder im Urkundenprozess erhoben wird (Zöller/Greger, a.a.O., § 597 Rn 3, 7; MüKo-ZPO/Braun, 3. Aufl., § 597 Rn 13; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 17. Aufl., § 163 Rn 29). Da nach dem oben Gesagten Rechtskraft und Streitgegenstand kongruent sind, erstreckt sich die Verjährungshemmung daher auf den Anspruch insgesamt.
b) Das LG hat eine Ausnahme von den vorgenannten Grundsätzen machen wollen und dies damit begründet, dass die ursprüngliche Klageforderung nicht hinreichend bestimmt gewesen sei, soweit es gesetzliche Gebührenansprüche betreffe. Daher hat das LG gemeint, dass sich die Verjährungshemmung nicht auf gesetzliche Gebührenansprüche erstrecke. Dem ist nicht zuzustimmen.
Das LG hat sich zur Begründung auf das Urteil des BGH v. 17.10.2000 (XI ZR 312/99, NJW 2001, 305) bezogen. Danach unterbricht ein nicht individualisierter Mahnbescheid die Verjährung nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Individualisierung nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitver...