… pflegte unser erster Bundeskanzler häufig zu sagen. Dies scheint zwischenzeitlich das Motto des BGH in Kostensachen geworden zu sein.
Unvergessen sind die Entscheidungen zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde in WEG-Kostenfestsetzungsverfahren. Hatte der BGH zunächst bedenkenlos die Beschwerde für zulässig erachtet, hat er sie bei nächster Gelegenheit als unstatthaft verworfen, um sie dann wieder als zulässig anzusehen und schließlich dann doch endgültig als unstatthaft zu verwerfen. Auch bei der Festsetzung der Einigungsgebühr hat sich der BGH um die eigene Achse gedreht. Hatte er zunächst die Festsetzung abgelehnt, wenn die Einigung nicht gerichtlich protokolliert war, hat er sie später mit überzeugender Begründung zugelassen. Auch bei der Terminsgebühr durch Besprechungen der Anwälte zur Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gleicht die Rechtsprechung des BGH einer Achterbahn.
Eine wahrhafte Kapriole hat der BGH binnen kürzester Zeit jetzt auch bei der Schwellengebühr vollzogen.
In seiner ersten Entscheidung vom 13.1.2011 (AGS 2011, 120) hat der IX. Senat des BGH auch für die Frage, ob die Tätigkeit des Anwalts umfangreich und schwierig war, die Toleranzrechtsprechung bedenkenlos für anwendbar erklärt. Er war sich hier der Sache offenbar so sicher, dass er es nicht einmal für nötig gehalten hat, gegenteilige Instanzrechtsprechung zu zitieren oder eine Begründung für seine Auffassung abzugeben. Es war daher allgemeine Auffassung, dass der BGH in seiner Entscheidung gar nicht erkannt habe, was er entschieden hatte. Diese Kritiker sahen sich dann aber durch die Entscheidung des VI. Senats vom 8.5.2012 (AGS 2012, 220) getäuscht, in der der BGH die Toleranzrechtsprechung aufrechterhalten und dogmatisch hergeleitet hat. Auch hat er die gesamte gegenteilige Instanzrechtsprechung für verfehlt erklärt. Umso überraschender ist es, dass nunmehr der VIII. Senat keine drei Monate später am 11.7.2012 (in diesem Heft S. 373) eine Kehrtwendung vollzieht und darauf hinweist, dass die Toleranzrechtsprechung auf die Schwellengebühr nicht anwendbar sei. Noch erstaunlicher ist, dass der IX. Senat kurzerhand erklärt, das schon immer gemeint zu haben, was den VI. Senat wiederum dazu bewogen hat, zu erklären, wenn der IX. Senat an seiner Auffassung nicht festhalte, dann wolle er – der VI. – dies auch nicht mehr.
Es ist sicherlich nichts Ungewöhnliches, dass ein Gericht seine Rechtsauffassung ändert. Im Gegenteil ist dies in der Regel ein Zeichen von Größe, wenn man eigene Fehler erkennt und korrigiert. Bedenklich ist jedoch, wenn ein Gericht mit der Inbrunst der Überzeugung eine Auffassung vertritt und nur wenige Monate später sang- und klanglos erklärt, an der Auffassung nicht mehr festzuhalten. Es drängt sich einem der Verdacht auf, dass es den Senaten weniger darum geht, die Sache richtig zu entscheiden, als die Anrufung des Großen Senats zu vermeiden. Bemerkenswerterweise scheuen die Senate in Kostensachen die Anrufung des Großen Senats wie der Teufel das Weihwasser Selbst zu der kontroversen Diskussion der Anrechnung der Geschäftsgebühr hatte es der BGH tunlich vermieden, den Großen Senat anzurufen, obwohl hier evident widersprüchliche Entscheidungen ergangen waren.
Auch hier zeigt sich wieder einmal das Dilemma, dass der BGH nicht bereit ist, die Kostensachen zu bündeln und einem Senat im Wege der Geschäftsverteilung zuzuweisen. Dies hätte nicht nur den Vorteil, dass man auf fachkundige Entscheidungen hoffen dürfte, sondern dass auch Kontinuität eintreten würde. Derzeit gleichen Rechtsbeschwerdeverfahren einem Lotteriespiel. Man weiß nie, welcher Senat wie entscheidet.
Überlegenswert ist, in Kostensachen neben der Vereinheitlichung der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) den weiteren Zulassungsgrund "zur Umkehr der Rechtsprechung" einzuführen. Man weiß ja nie, ob der BGH an seiner Rechtsprechung festhält oder sie bei nächster Gelegenheit wieder über den Haufen wirft.
Norbert Schneider/Lotte Thiel