Leitsatz
Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wegen der nicht unverzüglichen Mitteilung der Änderung der Anschrift gem. § 120a Abs. 2 ZPO setzt keine grobe Nachlässigkeit oder Absicht voraus. Ein atypischer Fall ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten erreichbar blieb.
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 1.3.2016 – 2 Ta 79/16
1 Sachverhalt
Mit dem angegriffenen Beschluss, der am 7.12.2015 zugestellt wurde und gegen den am 9.12.2015 sofortige Beschwerde eingelegt wurde, hob das ArbG die ursprünglich ratenfrei bewilligte Prozesskostenhilfe auf, nachdem der Kläger die Änderung seiner Wohnanschrift dem Gericht nicht mitgeteilt hat. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom Juni 2014 gab der Kläger eine Adresse in E. "Am T." an. Nachdem dem Kläger die Mitteilung über die entstandenen Prozesskosten im Januar 2015 nicht zugestellt werden konnte, ergab eine Einwohnermeldeamtsauskunft durch das Gericht, dass die Wohnanschrift des Klägers sich geändert hat auf eine Adresse in der "F.-Straße" in E. Der Kläger ist in der sofortigen Beschwerde der Ansicht, die Änderung der Wohnadresse sei für die Prozesskostenhilfe irrelevant, der er jederzeit über seinen Rechtsanwalt erreichbar war. Die Aufhebung der Prozesskostenhilfe sei daher überzogen.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 78 S. 1 ArbGG, 127 Abs. 2, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.
Nach § 120a Abs. 2 ZPO ist die Partei, der Prozesskostenhilfe gewährt wurde, verpflichtet, eine Verbesserung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb von vier Jahren nach der rechtskräftigen Entscheidung oder Beendigung des Verfahrens dem Gericht ebenso unverzüglich mitzuteilen, wie eine Einkommensverbesserung von mehr als 100,00 EUR brutto monatlich oder den Wegfall einer entsprechenden Belastung. Gleichfalls besteht die Verpflichtung, eine Änderung der Anschrift dem Gericht unverzüglich mitzuteilen.
Auf diese Verpflichtung wird die antragstellende Partei mit der Antragstellung bereits im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dort unter Nr. K, fettgedruckt, hingewiesen. Ein entsprechender Hinweis erfolgt zudem im Hinweisblatt zum Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe.
Das Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem entsprechenden Hinweis wird durch die antragstellende Partei unterschrieben.
Nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen der oben genannten Verpflichtung absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit Angaben unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.
Voraussetzung der Aufhebung der Prozesskostenhilfe, die nach dieser Vorschrift den Regelfall bei einem entsprechenden Verstoß darstellt, ist, wie sich aus der Formulierung des Abs. 1 als Sollbestimmung ergibt, ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 120a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO (LAG Düsseldorf v. 5.12.2014 – 2 Ta 555/14).
Die Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Antragsteller hat von sich aus dem Gericht seinen Wohnungswechsel nicht angezeigt.
Zwar verkennt das Gericht nicht, dass unverzüglich bei der Mitteilung der Adressänderung an das Gericht nicht bedeutet, dass ein Wohnungswechsel dem Gericht innerhalb weniger Tage nach dem Umzug bekanntzumachen ist. Es ist nachvollziehbar und auch nicht zu beanstanden, wenn ein gewisser – kurzer – Zeitraum zwischen dem Wohnungswechsel und der Nachricht an das Gericht vergeht. Ein Zeitraum von mehr als einem Monat ist jedoch nicht mehr im Rahmen der zuzubilligenden Toleranzgrenzen (so: LAG Düsseldorf v. 3.7.2015 – 2 Ta 309/15; dagegen geht Groß, BerH, PKH, 12. Aufl., 2014, § 124 Rn 22 sogar nur von einer zweiwöchigen Karenzzeit aus.).
Eine grobe Nachlässigkeit oder Absicht ist dagegen nicht erforderlich.
Die Beschwerdekammer folgt der Begründung des LAG München (v. 25.2.2015 – 10 Ta 51/15) ebenso LAG Sachsen v. 16.12.2015 (4 Ta 157/15 (3)), wonach das subjektive Tatbestandsmerkmal der Vorsätzlichkeit oder der groben Nachlässigkeit sich allein auf die Unrichtigkeit der Mitteilung bezieht (ebenso LAG Sachsen v. 16.12.2015 – 4 Ta 157/15 (3); Musielak, ZPO, 12.Aufl., 2015, § 124 ZPO Rn 8a; LAG Düsseldorf v. 20.1.2016 – 5 Ta 644/15; a.A. LAG Baden-Württemberg v. 5.3.2015 – 17 Ta 2/14, Beck RS 2015/68548).
Das Merkmal "unverzüglich" enthält bereits in sich ein subjektives Element. Nicht ersichtlich ist, dass die Voraussetzung allein auf Fälle des Vorsatzes oder der groben Nachlässigkeit weiter eingeschränkt werden soll. Auch die Gesetzesbegründung zu § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (BT-Drucks 17/11472, S. 35), wo von unverzüglicher Mitteilung nicht die Rede ist, spricht für diese Auslegung. Schließlich spricht dafür, dass das entscheidende Gericht häufig nicht beurteilen könnte, ob eine unterlassene oder verspätete Mitteilung a...