Grundsätzlich sieht das BVerfG die Selbsthilfe in jüngeren Entscheidungen als durchaus andere Hilfe an.[44] Der Verweis an die Ausgangsbehörde im Falle eines Widerspruchsverfahrens stelle aber keine solche Selbsthilfemöglichkeit dar.[45]

Im Anhörungs- und Antragstellungsverfahren gilt anderes. Verfassungsrechtlich wurde die Definition, wann eine Behördenberatung in Betracht kommt, also mehrfach geklärt. So kann für die Antragstellung auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ein Unbemittelter durchaus auf die kostenfreie Beratung des Rentenversicherungsträgers als andere Hilfe verwiesen werden.[46] Der Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit ist hier nicht verletzt, da – mit Blick auf die Beratungspflicht gem. § 14 SGB I – auch ein bemittelter Bürger zunächst die behördliche Beratung in Anspruch nehmen würde.

Auch das AG Hannover hatte 2015 zu entscheiden. Ebenso wie das BVerfG bereits in früheren Entscheidungen sieht auch das AG Hannover[47] keine unzumutbare Hilfe durch die Behörde im Anhörungsverfahren. Zweck der Beratungshilfe sei es, finanziell schlechter gestellte Bürger bei der Wahrnehmung von Rechten mit Bürgern gleichzustellen, die ihre Anwaltskosten selbst bezahlen. Die Beratungshilfe diene dagegen nicht dazu, finanziell bedürftigen Bürgern Schriftwechsel oder persönliche Vorsprachen abzunehmen, die andere Bürger typischerweise selbst erledigen. Dem Rechtsuchenden sei es deshalb im Rahmen des Anhörungsverfahrens einer Behörde zumutbar, sich zunächst selbst an die Behörde zu wenden. Allein die Tatsache, dass der Rechtsuchende eine aufgenommene Arbeit bei der Behörde zeitnah durch Überreichen einer Einkommensbescheinigung angezeigt haben will, führe nicht dazu, dass es ihm unzumutbar sei, auf diesen Umstand im Rahmen des Anhörungsverfahrens nochmals hinzuweisen. Die Tatsache, dass dies von der Behörde möglicherweise übersehen worden ist, zwinge nicht zu der Annahme, dass diese auf eine dem Rechtsuchenden gegenüber gegnerische Position festgelegt ist. M.a.W.: Ein Fehler rechtfertigt u.U. nicht die Annahme einer Voreingenommenheit.

[44] BVerfG, Beschl. v. 4.4.2016 – 1 BvR 2607/15; BVerfG, Beschl. v. 29.4.2015 – 1 BvR 1849/11; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 27.6.2014 – 1 BvR 256/14.
[45] Siehe auch BVerfG BVerfGK 15, 438 ff.
[46] BVerfG, Beschl. v. 4.4.2016 – 1 BvR 2607/15.
[47] AG Hannover NZS 2016, 120 ff.

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