Einführung

Die Reform der Beratungshilfe ist nun bald drei Jahre in Kraft. Während es im ersten Jahr der neuen Regelungen schien, dass viele Probleme gelöst wurden – symptomatisch gab es kaum Rspr. – zieht die Zahl der gerichtlichen Entscheidungen zwischenzeitlich wieder an! Hat die Reform also nicht den gewünschten Erfolg gebracht? Um dies zu beurteilen, ist es nach wie vor zu früh. Allerdings sollen mit diesem Beitrag die Tendenzen der Rspr. in den Jahren 2015 und 2016 aufgezeigt werden.

I. Allgemeines

Durch das seit dem 1.1.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts[1] wurde das Gebiet des Beratungshilferechts nicht nur reformiert, sondern auch seiner größten Änderung seit Bestehen des Gesetzes unterzogen. In die Änderungen sollten die Erfahrungen mit dem Gesetz der letzten 30 Jahre einfließen, die Rechtslage sollte für alle Beteiligten gestärkt werden, die Verlässlichkeit auf den Erhalt der Gebühren für den Rechtsanwalt sollte sich stärker wiederfinden, aber letztlich sollte auch alles transparenter und "besser" geregelt werden, um so auch Einsparungen erreichen und Missbrauch ausschließen zu können.[2] Vorliegend sollen nun nochmals die damals in Kraft getretenen wesentlichen Änderungen kurz betrachtet werden. Folgende wesentliche Änderungen wurden durch das Gesetz verwirklicht:

Mutwilligkeit: Die Begrifflichkeit wurde definiert und präzisiert.
Erforderlichkeit der Vertretungshandlung: Die Begrifflichkeit wurde definiert und präzisiert.

Wegfall der Beschränkung auf Anwälte, Rechtsbeistände und Beratungsstellen und damit verbunden die Öffnung auch für neue Beratungspersonen

Gem. § 3 BerHG können – im Umfang ihrer jeweiligen Befugnis zur Rechtsberatung – Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer sowie Rentenberater Beratungshilfe leisten und auch abrechnen.
Veränderungen im Antragsverfahren zur Bewilligung von Beratungshilfe
Frist zur nachträglichen Antragstellung (§ 6 Abs. 2 BerHG)
Option einer Bewilligungsaufhebung bei anfänglichem Fehlen der Bewilligungsvoraussetzungen oder nachträglichem Wegfall (§ 6a BerHG) und deren Folgen (§ 8a BerHG)
Neustrukturierung der Berechnung des einzusetzenden Einkommens
Erfolgs- und Wahlanwaltshonorare sowie Leistungsmöglichkeit "pro bono"
Schaffung von Rückgewähransprüchen der Staatskasse
Inanspruchnahme der Beratungshilfe als neuer Bezugspunkt der Mutwilligkeitsprüfung (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG)
Absenken der Beweisanforderungen für die Feststellung der Mutwilligkeit (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BerHG)
Erweiterung der beratungshilfefähigen Angelegenheiten (§ 2 Abs. 2 BerHG) = jetzt alle Rechtsgebiete
Neuregelung der Erklärungspflichten des Rechtsuchenden (§ 4 BerHG)
Vergütung aller Beratungspersonen nach dem RVG (§ 8 Abs. 1 BerHG)
Vergütungsanspruch der Beratungsperson bei nachträglich beantragter, aber abgelehnter Beratungshilfe (§ 8a Abs. 4 BerHG)
Erweiterung der Erstattungspflicht zugunsten aller Beratungspersonen (§ 9 BerHG)
Öffnungsklausel für eine ausschließliche Zuständigkeit von Beratungsstellen i.S.v. § 3 Abs. 1 BerHG zur Gewährung von Beratungshilfe (§ 12 Abs. 3 BerHG)

Während 2014 zur neuen Rechtslage nur selten Entscheidungen veröffentlicht wurden, zieht die Zahl der Veröffentlichungen an Abhandlungen, an Entscheidungen und Kommentaren 2015 und 2016 wieder an. Woran dies liegen mag, bleibt unklar. Einerseits kann man vermuten, dass der gewünschte Erfolg (Klarstellung der Rechtslage) doch nicht so eintritt, wie vom Gesetzgeber erhofft. Auf der anderen Seite ist es angesichts der Dauer einer Beratungs- und Vertretungsleistung bis zur Abrechnung und der weiterhin vorhandenen Übergangsfälle nach alter Rechtslage auch verständlich, dass erst jetzt sukzessive Fragestellungen und Probleme rund um die neue Rechtslage auftauchen. Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren nach § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Beratungshilfe) wird auf Antrag daher gewährt, wenn

der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann,
nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist,
die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint.

Im weiteren Verlauf soll nun die aktuelle Entwicklung der letzten zwei Jahre mit Schwerpunkt bei den Neuregelungen (s.o.) – soweit hierzu Rspr. vorhanden ist – und der allgemeinen Entscheidungstendenz betrachtet werden.

[1] BT-Drucks 17/11472 u. 17/13538.
[2] Siehe Lissner, AGS 2015, 53 ff.

II. Entwicklung in 2015 und 2016

1. Steuerrecht

Am 16.5.2013 hatte der Bundestag die Annahme des Gesetzentwurfs auf Basis der Drucks. 17/11472, jedoch in der geänderten Fassung gem. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, beschlossen.[3] Die Reform trat dann zum 1.1.2014 in Kraft und öffnete erstmals auch die Möglichkeit für weitere Berufsgruppen, Rechtsberatung i...

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