Leitsatz
Unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 FamGKG kann der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren über dem Regelwert festgesetzt werden, auch wenn für den ersten Rechtszug nur ein Wert von 3.000,00 EUR bestimmt worden ist. § 40 Abs. 2 FamGKG steht dem nicht entgegen, selbst wenn der Verfahrensgegenstand (hier: elterliche Sorge) der gleiche geblieben ist, die für § 45 Abs. 3 FamGKG maßgebenden Bewertungsfaktoren aber nur im Beschwerdeverfahren erheblich geworden sind.
OLG Dresden, Beschl. v. 3.6.2016 – 20 UF 122/15
1 Aus den Gründen
Mit dem angefochtenen Beschluss hatte der Senat den Gegenstandswert eines sorgerechtlichen Verfahrens auf 6.000,00 EUR festgesetzt. Dagegen hat die Staatskasse Beschwerde erhoben und eine Herabsetzung des Wertes auf 3.000,00 EUR geltend gemacht; zur Begründung wird darauf verwiesen, dass das FamG den Verfahrenswert für den ersten Rechtszug ebenfalls auf 3.000,00 EUR festgesetzt habe, so dass § 40 Abs. 2 S. 1 FamGKG einer höheren Wertbestimmung für das Beschwerdeverfahren entgegenstehe.
Die Beschwerde ist unzulässig. Wertfestsetzungsbeschlüsse des Oberlandesgerichts sind gem. § 59 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 57 Abs. 7 FamGKG unanfechtbar, auch seitens der Staatskasse. Soweit die Beschwerde deshalb als Gegenvorstellung mit dem Ziel einer Wertberichtigung von Amts wegen zu verstehen wäre, ist sie jedenfalls unbegründet. Der Senat hält an seiner Wertfestsetzung fest.
Sie beruht auf § 45 Abs. 3 FamGKG. Im Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit des Verfahrens und die Bedeutung der zu treffenden Entscheidung für die Beteiligten hält der Senat die Beschränkung auf den Regelwert des § 45 Abs. 1 FamGKG für unbillig. Der kindschaftsrechtliche Konflikt der Beteiligten, der drei gemeinsame Kinder betrifft, hat den Senat zum wiederholten Male beschäftigt. Im zweiten Rechtszug waren nunmehr zwei mehrstündige Verhandlungen, die Einholung eines Sachverständigengutachtens und dessen ausführliche Erläuterung durch den Sachverständigen erforderlich. Angesichts dessen erachtet der Senat eine maßvolle Heraufsetzung des Verfahrenswertes als geboten.
§ 40 Abs. 2 FamGKG steht dem nicht entgegen. Denn eine nur am Wortlaut orientierte Anwendung der Vorschrift stände für Konstellationen der vorliegenden Art in einem Wertungswiderspruch zu dem mit § 45 Abs. 3 FamGKG verbundenen Regelungsinteresse. Auch § 40 Abs. 2 S. 2 FamGKG erklärt die durch S. 1 der Vorschrift vorgenommene Wertbegrenzung auf den Verfahrenswert des ersten Rechtszuges für dann im Rechtsmittelverfahren nicht anwendbar, wenn der Verfahrensgegenstand dort erweitert wird. Bei formaler Betrachtungsweise ist der Verfahrensgegenstand (elterliche Sorge) hier zwar unverändert geblieben. Die "Erhöhungsfaktoren", die im Rahmen von § 45 Abs. 3 FamGKG zu berücksichtigen waren, haben sich aber im Beschwerdeverfahren – und nur dort – ergeben. Dass diese Faktoren zwingend nur deshalb unberücksichtigt bleiben müssten, weil sie im ersten Rechtszug eben noch nicht vorhanden waren, würde dem Regelungszweck von § 45 Abs. 3 FamGKG nicht gerecht. Die Rspr. des BGH (NJW-RR 1998, 1452 [= AGS 1999, 13]) hat die inhaltsgleiche Vorschrift des § 14 Abs. 2 S. 1 GKG a.F. ebenfalls nicht auf Fälle angewandt, in denen sich der Wert des – formal unverändert gebliebenen – Streitgegenstands während eines Rechtsmittelverfahrens über den Wert des Streitgegenstands der ersten Instanz hinaus erhöht hatte. Dem tritt der Senat jedenfalls für das hier in Rede stehende Verhältnis zwischen § 40 Abs. 2 und § 45 Abs. 3 FamGKG bei.
2 Anmerkung
Das OLG geht zu Recht davon aus, dass eine Beschwerde gegen die Festsetzung eines OLG in Familiensachen nicht zulässig ist. Das folgt schon daraus, das nur Entscheidungen der Familiengerichte, also der Amtsgerichte (s. § 23b Abs. 1 GVG), anfechtbar sind (§ 59 Abs. 1 FamGKG). Die Regelung in § 59 Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 55 Abs. 8I FamGKG stellt dies lediglich nochmals klar.
Auch kennt das FamGKG keine Rechtsbeschwerde, so dass gegen Entscheidungen des OLG kein Rechtsmittel gegeben ist.
Allerdings kann gegen Entscheidungen des OLG Gegenvorstellung erhoben werden, da das Gericht von Amts wegen den Verfahrenswert richtig festsetzen und bei besserer Erkenntnis auch abändern muss (§ 55 Abs. 3 FamGKG).
Allerdings ist zu beachten, dass die Gegenvorstellung innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 55 Abs. 2 S. 2 FamGKG bzw. der Monatsfrist des § 59 Abs. 1 S. 3, 2. Hs FamGKG erhoben werden muss. In diesem Fall kann die Abänderung des Verfahrenswerts auch noch nach Ablauf der Frist erfolgen.
Die Entscheidung in der Sache ist zutreffend. Nach § 40 Abs. 2 FamGKG darf der Wert eines Rechtsmittelverfahrens grundsätzlich nicht höher festgesetzt werden als der Wert der Vorinstanz, sofern sich der Verfahrensgegenstand nicht verändert hat. Ändert sich der Verfahrensgegenstand, etwa durch Antragserweiterungen, Wideranträge, Hilfsaufrechnungen o.ä., dann kann in der Rechtsmittelinstanz auch ein höherer Wert angenommen werden. Allerdings darf dann der (Teil-)Verfahrenswert der erstinstanzlichen Gegenstände auch...