Leitsatz
Der Ermittlungsrichter des BGH ist für Entscheidungen über Anträge eines von ihm im Ermittlungsverfahren bestellten Rechtsanwalts auf Festsetzung einer Pauschgebühr nicht zuständig.
BGH, Beschl. v. 8.6.2016 – 3 BGs 197/16
1 Sachverhalt
Der Generalbundesanwalt führt ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen eines Sprengstoffanschlags, dem folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Am 26.9.1980 wurde gegen 22:20 Uhr am Haupteingang zur Theresienwiese in München ein Sprengkörper gezündet. Auf der Theresienwiese fand seit dem 20.9.1980 das jährlich abgehaltene Oktoberfest statt. Dreizehn Personen wurden getötet. Mehr als 200 Menschen erlitten teils schwerste Verletzungen. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen hatte der beim Anschlag getötete K. den Sprengsatz gebaut, ihn zum Tatort gebracht und dort die Explosion verursacht.
Zunächst war dieses Ermittlungsverfahren nach zweijähriger Ermittlungsarbeit am 23.11.1982 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, nachdem sich der damals gehegte Anfangsverdacht, an dem Attentat seien neben dem bei der Begehung der Tat verstorbenen K. weitere Personen beteiligt gewesen, nicht erhärten ließ. In der Folgezeit wurde seitens des Generalbundesanwalts wiederholt die förmliche Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens geprüft. Aufgrund der Angaben einer bislang nicht bekannten Zeugin wurden schließlich am 5.12.2014 die Ermittlungen förmlich wieder aufgenommen. Diese dauern derzeit noch an.
Der Antragsteller vertritt 15 im Verfahren nebenklageberechtigte Personen. Mit Beschlüssen des Ermittlungsrichters des BGH ist er diesen gem. § 406g Abs. 1, 3 S. 1 Nr. 1 StPO a.F., § 397a Abs. 1 StPO als Beistand bestellt worden.
In einem an den "BGH-Strafsenat" gerichteten Schreiben hat der Antragsteller, der in dem gegenständlichen Verfahren seit Oktober 1982 tätig ist, die Bewilligung einer Pauschgebühr gem. § 51 Abs. 1 RVG in Höhe von 88.000,00 bis 110.000,00 EUR betreffend die von den Gebühren Nrn. 4101 und 4105 VV erfassten Tätigkeiten beantragt. Ergänzend hat er in einem weiteren Schreiben klargestellt, dass sich der Antrag an den BGH-Ermittlungsrichter richte.
2 Aus den Gründen
Der BGH – Ermittlungsrichter – ist für die Entscheidung über den Antrag nicht zuständig.
Aus § 51 Abs. 2 S. 1 RVG ergibt sich, dass für die Entscheidung über die Bewilligung einer Pauschvergütung grundsätzlich das OLG, zu dessen Bezirk das Gericht des ersten Rechtszugs gehört, zuständig ist. In Anknüpfung an die frühere Regelung in § 99 Abs. 2 S. 1 BRAGO folgt die gerichtliche Zuständigkeit für die Entscheidung über die Bewilligung der Pauschvergütung grundsätzlich weder der für die Bestellung oder Beiordnung des Rechtsanwalts, noch der des Gerichtes, gegenüber dem der Rechtsanwalt tätig geworden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 5.5.1971 – 6 StE 1/68 u. 3 ARs 21/70, MDR 1971, 676, 677). Entscheidend für die Bestimmung der Zuständigkeit war für den Gesetzgeber offenbar nicht eine sich aus der Bestellung bzw. Beiordnung oder Entgegennahme der Tätigkeit des Anwalts ergebende Sachkunde betreffend den Umfang und die Schwierigkeit von dessen Tätigkeit, sondern die Sicherstellung eines möglichst einheitlichen Maßstabes auf der Grundlage der mit der Zuständigkeitskonzentration verbundenen Breite an Erfahrung (vgl. BGH, Beschl. v. 5.5.1971, a.a.O.).
§ 51 Abs. 2 S. 2 RVG sieht zwar als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass der BGH für die Entscheidung zuständig ist, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat. Diese Ausnahme erfasst jedoch nicht die Fälle, in denen der BGH während des Ermittlungsverfahrens mit einer Strafsache befasst war, selbst dann nicht, wenn der anwaltliche Vertreter von dem Ermittlungsrichter des BGH bestellt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 5.5.1970, a.a.O.; v. 16.5.1977 – 1 BJs 20/75 - 3 ARs 12/77, NJW 1977, 1644, Mayer/Kroiß/Kroiß, RVG, 6. Aufl., § 51 Rn 26; Hartmann, KostG, 45. Aufl., § 51 RVG Rn 27).
Das am 1.7.2004 (Art. 3 des Kostenmodernisierungsgesetzes v. 5.5.2004 [BGBl I, S. 718]) in Kraft getretene RVG (BGBl I, S. 788) ersetzt die mit Ablauf des 30.6.2004 außer Kraft getretene BRAGO. § 51 Abs. 2 S. 2 RVG ist wortgleich mit der Vorgängervorschrift des § 99 Abs. 2 S. 2 BRAGO. Aus der Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (BT-Drs 15/1971, S. 201/201) ergeben sich keine neuen Erwägungen des Gesetzgebers zu der gerichtlichen Zuständigkeit für die Bewilligung der Pauschvergütung. Die Ausnahmevorschrift des § 99 Abs. 2 S. 2 BRAGO, nach der der BGH zur Entscheidung berufen war, soweit er den Rechtsanwalt bestellt hat, war mit Neufassung der BRAGO durch das Kostenänderungsgesetz v. 26.7.1957 (BGBl I, S. 861, 923) in die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit für die Bewilligung der Pauschgebühr aufgenommen worden. Aus der Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung kostenrechtlicher Vorschriften (BT-Drs 2/2545, S. 262) ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber mit dieser Regelung von der bisherigen Zuständigkeitskonzentration bei den Oberlandesgerichten grundsätzlich abweichen und ein Be...