Leitsatz
Wird Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Darlehensvertrages aufgrund des Widerrufs des Darlehensnehmers erhoben, so richtet sich der Streitwert nach dem Wert der bis zum Widerruf gezahlten Darlehensraten. Weitere Darlehensraten, die nach Widerruf noch gezahlt worden sind, wirken nicht streitwerterhöhend.
OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.7.2016 – 17 W 37/16
1 Sachverhalt
Die Kläger hatten Klage auf Feststellung erhoben, dass ein Darlehensvertrag zwischen den Parteien unwirksam sei, da sie ihre auf Abschluss des Vertrages gerichtete Erklärung rechtzeitig widerrufen haben.
Bis zum Widerruf hatten die Kläger an Zins- und Tilgungsleistungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 65.201,99 EUR erbracht. Im Anschluss daran zahlten sie bis zur Einreichung der Klage noch weitere insgesamt 6.289,28 EUR sowie eine Sondertilgung in Höhe von 8.000,00 EUR.
Das Gericht hatte den Streitwert zunächst auf 74.107,54 EUR festgesetzt.
Hiergegen haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger Beschwerde erhoben und beantragt, den Streitwert auf insgesamt 88.396,82 EUR festzusetzen, da nach ihrer Auffassung die weiteren Raten und die Sondertilgung streitwerterhöhend zu berücksichtigen seien. Das Gericht hat der Beschwerde nicht stattgegeben, sondern von Amts wegen den Streitwert auf 65.201,99 EUR abgeändert.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Kläger führt in der Sache selbst nicht zum Erfolg, sondern führt darüber hinaus zu einer Reduzierung des Gebührenstreitwertes für den Rechtsstreit auf den Betrag von 65.201,99 EUR.
An dieser Festsetzung sieht sich der Senat auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen Verschlechterungsverbotes gehindert. Vielmehr gilt der im Zivilprozess ansonsten fast ausnahmslos einschlägige Grundsatz des Verbots der sog. "reformatio in peius" im Streitwertrecht grundsätzlich nicht. Das beruht darauf, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren im überwiegenden öffentlichen Interesse an einer jederzeit objektiven richtigen Bewertung der Verfahrensgegenstände gem. § 63 ff. GKG als amtliches Verfahren ausgestaltet ist und die privaten Interessen der Prozessbeteiligten an einer möglichst kostengünstigen Rechtsverfolgung bzw. an einer möglichst kostspieligen Gestaltung nicht schutzwürdig sind und vollständig zurücktreten (Hartmann, KostG, 44. Aufl., 2014, § 68 GKG Rn 19; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.5.2009 – 24 W 13/09, juris Rn 6 m.w.N.).
Im Einklang mit der im Übrigen zutreffenden Begründung des LG ist der Gebührenstreitwert für den vorliegenden Rechtsstreit auf der Grundlage der bis zum Zeitpunkt des Widerrufs geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen auf 65.201,99 EUR festzusetzen. Insoweit ist der Wertberechnung bei der Bemessung des von dem Kläger verfolgten Interesses gem. § 3 ZPO zugrunde zu legen, dass sämtliche auf der Grundlage des § 488 Abs. 1 S. 2 BGB erbrachten Leistungen des Darlehensnehmers nach § 357 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB zu erstatten sind, weshalb das Interesse der Kläger dem Wert der von ihnen erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen entspricht (BGH, Beschl. v. 12.1.2016 – XI ZR 366/15, juris Rn 19 m.w.N. [= AGS 2016, 182]).
Dieser zutreffenden Grundlage trägt der angefochtene Beschluss des LG infolge eines offensichtlichen Verfahrensfehlers insoweit nicht Rechnung, als mit dem Betrag von 74.107,54 EUR nicht nur die geleisteten Zins- und Tilgungsraten, sondern darüber hinaus auch die darauf entfallenden Nutzungszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz enthalten sind. Dies folgt aus der von den Klägern selbst vorgelegten Berechnung des Forderungskontos, welches bis zum Kündigungszeitpunkt eine als Hauptforderung bezeichnete Summe von 65.201,29 EUR sowie zusätzlich darauf entfallende Zinsen von 8.906,25 EUR ausweist.
Soweit die Klägervertreter demgegenüber eine Erhöhung des Gebührenstreitwertes um die nach dem Widerruf geleisteten Zahlungen in Höhe von insgesamt 14.289,28 EUR erstreben, führt dies nicht zur erstrebten Änderung des gem. § 40 GKG zu bemessenden Streitwertes. Dass lediglich die Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Erklärung des Widerrufs maßgeblich sind, folgt letztlich daraus, dass den Klägern hinsichtlich der nach dem Widerruf erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen kein eigenständiger Anspruch auf Nutzungsersatz mehr zusteht. Soweit die Kläger für den Zeitraum nach dem von ihnen erklärten Widerruf weitere Zahlungen auf den nach ihrer Ansicht nicht mehr wirksamen Darlehensvertrag geleistet haben, steht ihnen auch im Falle der Wirksamkeit des Widerrufs diesbezüglich lediglich ein Bereicherungsanspruch zu, der mit dem Tag seiner Entstehung durch die vorgenommene Aufrechnung mit dem verbliebenen Zahlungsanspruch der beklagten Bank zu verrechnen ist und sich demgemäß nicht streitwerterhöhend auswirken kann (OLG Frankfurt, Urt. v. 20.7.2016 – 17 U 218/15; Urt. v. 25.4.2016, Rn 95).
3 Hinweis der Schriftleitung
Siehe hierzu auch den Aufsatz von Schons auf S. 369 ff. in diesem Heft.
AGS, S. 414 - 415