EStG 2009 § 77; GKG § 52 Abs. 1; RVG §§ 2 Abs. 1, 23 Abs. 1 S. 1, S. 3
Leitsatz
- Gegenstand eines in einem Verfahren auf Festsetzung von Kindergeld eingelegten Untätigkeitseinspruches ist nur das Tätigwerden der Behörde und nicht bereits die Festsetzung des begehrten Kindergelds.
- Der Gegenstandswert eines solchen Vorverfahrens bestimmt sich gem. § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 1 S. 1 und 3 RVG nach § 52 Abs. 1 GKG und ist mit 10 % des streitigen Kindergeldbetrages anzusetzen.
BFH, Urt. v. 18.12.2019 – III R 46/17
1 Sachverhalt
Streitig ist die Höhe des Gegenstandswerts für einen Untätigkeitseinspruch in einer Kindergeldsache im Rahmen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 EStG.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zog im September 2012 aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland. Sie beantragte am 8.12.2014 bei der Familienkasse ... der Bundesagentur für Arbeit Kindergeld für ihre im Januar 2005 geborene Tochter (T). Sie gab an, dass sich T ab November 2013 im Haushalt der Klägerin in Deutschland aufhalte und davor von der Mutter der Klägerin in deren Haushalt in Polen betreut worden sei.
Die Familienkasse ... gab die Akte im Januar 2015 zuständigkeitshalber an die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) ab. Der von der Klägerin am 3.2.2016 beauftragte Prozessbevollmächtigte erhob am 10.2.2016 Einspruch "dagegen, dass der Antrag noch nicht beschieden" sei, und beantragte, "unverzüglich eine rechtsbehelfsfähige Entscheidung zu erlassen".
Die Familienkasse setzte mit Bescheid v. 15.3.2016 ab November 2013 Kindergeld für T fest. Für den Zeitraum November 2013 bis einschließlich Februar 2016 leistete sie eine Nachzahlung i.H.v. insgesamt 5.212,00 EUR. Ab März 2016 erfolgten Zahlungen i.H.v. 190,00 EUR pro Monat. Mit weiterem Bescheid v. 26.5.2016 lehnte die Familienkasse die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum September 2012 bis einschließlich Oktober 2013 mangels Haushaltszugehörigkeit ab.
Am 24.5.2016 beantragte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für notwendig zu erklären, die Kosten des Vorverfahrens der Familienkasse aufzuerlegen und die Kosten gem. beigefügter Kostenrechnung auszugleichen. Dabei ging sie von einer Geschäftsgebühr i.H.v. 300,00 EUR nach Nr. 2302 VV zzgl. einer Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen i.H.v. 20,00 EUR (Nr. 7002 VV) nebst Umsatzsteuer aus.
Unter dem 28.5.2016 übersandte die Familienkasse ein an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gerichtetes Schreiben, das mit Untätigkeitseinspruch i.S. … (der Klägerin) sowie mit Beendigungsmitteilung/Kostengrundentscheidung überschrieben war. Darin hieß es:
"Sehr geehrte Damen und Herren,"
aufgrund des Untätigkeitseinspruches wurde der begehrte Verwaltungsakt am 15.3.2016 und 26.5.2016 erlassen. Der Untätigkeitseinspruch ist damit in der Hauptsache erledigt.
Die im Einspruchsverfahren entstandenen Kosten werden auf Antrag erstattet, soweit sie notwendig waren.
Mit freundlichen Grüßen ..."
Mit Bescheid v. 11.7.2016 setzte die Familienkasse die erstattungsfähigen Kosten auf 201,71 EUR fest. Sie ging dabei davon aus, dass der Berechnung des Gegenstandswerts das Kindergeld von Januar 2010 bis Februar 2016 (Monat der Einlegung des Untätigkeitseinspruchs) zugrunde zu legen und mithin von einem Betrag von 13.676 EUR auszugehen sei. Da es sich um einen Untätigkeitseinspruch gehandelt habe, sei der Gegenstandswert i.H.v. 10 % dieses Betrages, also i.H.v. 1.376 EUR anzusetzen.
Mit dem dagegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, dass der Gegenstandswert insgesamt 7.492,00 EUR betrage, da er sich aus der Höhe des rückständigen Kindergelds i.H.v. 5.212,00 EUR und dem Kindergeld für weitere zwölf Monate i.H.v. 2.280,00 EUR (12 x 190,00 EUR) zusammensetze. Dementsprechend betrage der Kostenerstattungsanspruch insgesamt 729,23 EUR (= 592,80 EUR nach Nr. 2300 VV zzgl. 20,00 EUR nach Nr. 7002 VV zzgl. 19 % Umsatzsteuer).
Die Familienkasse wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung v. 16.9.2016 als unbegründet zurück.
Die dagegen gerichtete Klage wies das FG als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid v. 11.7.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung v. 16.9.2016 dahingehend abzuändern, dass der Kostenerstattungsanspruch auf 729,23 EUR festgesetzt wird.
Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.
2 Aus den Gründen
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Familienkasse der Klägerin keine höheren Kosten als die im Bescheid v. 11.7.2016 festgesetzten 201,71 EUR zu erstatten hat.
1. Nach § 77 Abs. 1 S. 1 EStG hat die Familienkasse dem Einspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung erfolgreich ist. Dabei si...