BGB §§ 249, 1902; ZPO § 287 Abs. 1
Leitsatz
Wird der Anwalt nach einem Verkehrsunfall auch mit der Regulierung gegenüber dem eigenen Unfallversicherer beauftragt, sind dessen Kosten auch dann nicht ersatzfähig, wenn der Geschädigte verletzungsbedingt dazu nicht in der Lage ist, er aber einen Betreuer hat, der dies erledigen kann.
BGH, Urt. v. 26.5.2020 – VI ZR 321/19
1 Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagte als Kfz-Haftpflichtversicherer auf restlichen Schadensersatz wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls am 23.6.2016 in Anspruch. Der Kläger erlitt unfallbedingt schwere Verletzungen und lag mehrere Wochen im Koma. Die Ehefrau des Klägers wurde deshalb durch einstweilige Verfügung des AG v. 1.7.2016 zu dessen Betreuerin bestellt und beauftragte in dieser Funktion eine Rechtsanwaltskanzlei damit, Ansprüche des Klägers aufgrund des Unfalls gegen dessen Unfallversicherer geltend zu machen. Hierfür wurden dem Kläger außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.954,46 EUR in Rechnung gestellt. Der Kläger verlangt von der Beklagten – neben anderen, für das Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Schadenspositionen – anteiligen Ersatz dieser Kosten in Höhe der unstreitigen Haftungsquote der Beklagten von 80 % nebst Zinsen.
Das AG hat die Klage hinsichtlich dieser Schadensposition abgewiesen, die Berufung des Klägers blieb insoweit ohne Erfolg. Mit seiner vom LG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
2 Aus den Gründen
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Anmeldung von Ansprüchen bei seinem Unfallversicherer.
Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählten zwar grds. auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten. Teil der Schadensabwicklung sei auch die Entscheidung des Geschädigten, den Schadensfall seinem eigenen Versicherer zu melden. Auch die dadurch anfallenden Rechtsverfolgungskosten könnten ersatzfähig sein, nämlich dann, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhten und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles erforderlich gewesen sei.
Für den vorliegenden Fall des durch Koma geschäftsunfähigen Geschädigten könne zunächst nichts anderes gelten. Die Kosten für die Regelung seiner Angelegenheiten, die er aufgrund seines Zustands nicht selbst erledigen könne, seien grds. von dem Schädiger zu tragen. Indes könne die damit verbundene Kostentragungspflicht nicht ohne die Berücksichtigung der Erforderlichkeitsgrenze auf sämtliche Folgekosten ausgedehnt werden. Der Geschädigte müsse sicherlich – ggfs. durch die Beauftragung von Dritten – in die Lage versetzt werden, seine Angelegenheiten ohne Rechtsverlust regeln zu können. Allerdings könne die beispielsweise durch erhebliche Verletzungen verursachte unfallbedingte Unfähigkeit, sich selbst hierum zu kümmern, nicht dazu führen, dass zu Lasten des Schädigers jeglicher Kostenanfall gerechtfertigt sei. Sei – wie im Streitfall – der Geschädigte unfallbedingt in einer Situation, die die Bestellung einer Betreuung zur Regelung der persönlichen und finanziellen Angelegenheiten erforderlich mache, und werde eine solche angeordnet, werde der Geschädigte hierdurch bereits in die Lage versetzt, seine Angelegenheiten zu regeln bzw. regeln zu lassen. Bei den durch die Betreuungsperson verursachten Folgekosten könne bei der Beurteilung der Frage der Erforderlichkeit i.S.d. § 249 BGB aber kein anderer Maßstab gelten als für den Geschädigten selbst. Bei der Frage der Erforderlichkeit dieser Folgekosten seien daher die gleichen Voraussetzungen zu erfüllen, als ob sie durch den Geschädigten selbst verursacht worden wären.
Für den Streitfall komme es daher nicht auf den Umstand an, dass der geschädigte Kläger komabedingt selbst nicht in der Lage gewesen sei, seine Ansprüche bei dem Unfallversicherer anzumelden, sondern darauf, ob die Voraussetzungen, unter denen die Kosten für die Inanspruchnahme des Unfallversicherers vom Schädiger zu tragen seien, in der Person der Betreuerin erfüllt gewesen seien. Dass im Streitfall in der Person der Betreuerin Umstände gegeben gewesen seien, die nach diesen Voraussetzungen die Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich hätten erscheinen lassen, sei weder ersichtlich noch vorgetragen.
II. Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der dem Kläger gegen die Beklagte zustehende Schadensersatzanspruch umfasse nicht die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Anmeldung der klägerischen Ansprüche bei seinem Unfallversicherer.
1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unr...