RVG § 48 Abs. 6
Leitsatz
- § 48 Abs. 6 S. 3 RVG gilt auch für bereits vor der Beiordnung hinzu verbundene Verfahren.
- Im Verfahren über eine weitere Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG ist die Richtigkeit einer Erstreckungsentscheidung nicht zu überprüfen.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 22.4.2014 – 1 Ws 48/14
1 Sachverhalt
Dem Ursprungsverfahren liegt ein vom Verurteilten begangener Diebstahl diverser Gegenstände zugrunde. Ein Antrag des Anwalts auf Beiordnung als Pflichtverteidiger wurde zunächst zurückgewiesen.
Später wurden zum Ursprungsverfahren zwei weitere Verfahren hinzu verbunden, in denen der Verteidiger ebenfalls bereits tätig war.
Hiernach ordnete das AG den bisherigen Verteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidiger bei.
Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Verteidiger die Festsetzung seiner Pflichtverteidigervergütung. Dabei setzte er die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV und die Post- und Telekommunikationspauschale nach 7002 VV doppelt, nämlich sowohl für das führende Verfahren als auch für eines der hinzu verbundenen Verfahren an.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die Vergütung für das hinzu verbundene Verfahren ab, da weder eine Beiordnung im verbundenen Verfahren noch eine Erstreckung erfolgt seien.
Der Verteidiger legte Erinnerung ein, soweit die Festsetzung der vor Verbindung angefallenen Gebühren für das hinzu verbundene Verfahren abgelehnt wurde. Dabei vertrat er die Auffassung, dass die Beiordnung nach § 48 Abs. 5 S. 1 RVG (a.F.) auf beide ursprüngliche Verfahren zurück wirke.
Nachdem der Kostenbeamte der Erinnerung nicht abgeholfen hatte, wies das AG die Erinnerung des Verteidigers zurück. Hiergegen legte der Verteidiger fristgerecht Beschwerde ein.
Das AG half der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem LG vor, das die Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern mit dem angefochtenem Beschluss zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen hat.
Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seiner weiteren Beschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts (§ 48 Abs. 5 S. 1, 3 RVG a.F.) geltend macht.
Das LG hat der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die weitere Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Der Senat entscheidet gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG in der Besetzung mit drei Richtern, da auch die angefochtene Entscheidung des LG nicht durch den Einzelrichter, sondern die Kammer ergangen ist.
2. Die weitere Beschwerde ist zulässig.
Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG statthaft. Das OLG ist an die – hier auch zu Recht erfolgte – Zulassung der weiteren Beschwerde durch das LG gebunden, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 4 S. 4 RVG.
Die Beschwerde wurde auch innerhalb der Frist der §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 4, Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt.
3. Die weitere Beschwerde ist jedoch unbegründet, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 2 RVG, 546 ZPO).
a) Die angefochtene Entscheidung enthält in formeller Hinsicht keine durchgreifenden Rechtsfehler.
Dass die angefochtene Entscheidung durch die Kammer getroffen wurde, ohne dass zuvor eine Übertragung durch den originären Einzelrichter auf diese nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG stattgefunden hat, ist gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 4 RVG unschädlich (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 30.5.2012 – 2 Ws 242/12 [= AGS 2012, 390]).
Die Beschwerde war auch statthaft, da der Beschwerdewert gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG erreicht und die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden war (§§ 56 Abs. 2 S. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG).
b) Die angefochtene Entscheidung ist auch materiell rechtmäßig.
Das LG hat die Beschwerde gegen den Beschluss des AG zu Recht als unbegründet verworfen.
Dem Verteidiger stehen keine über die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Vergütung hinausgehenden Ansprüche gegen die Staatskasse zu.
aa) Der Verteidiger kann die Gebühren Nrn. 4100, 4106 VV und die Pauschale Nr. 7002 VV nur einmal gegen die Staatskasse geltend machen. Die nach der Verbindung der Verfahren erfolgte Beiordnung des Verteidigers führt nicht dazu, dass der Verteidiger sowohl für die bisherige Tätigkeit als Wahlverteidiger im führenden Verfahren als auch die im hinzu verbundenen Verfahren entfaltete Tätigkeit Gebühren als Pflichtverteidiger abrechnen kann.
Inwieweit ein Pflichtverteidiger gegen die Staatskasse Gebühren geltend machen kann, die vor seiner Beiordnung entstanden sind, richtet sich nach § 48 Abs. 6 RVG (bzw. dem zum gem. § 60 Abs. 1 RVG maßgeblichen Zeitpunkt geltenden identischen § 48 Abs. 5 RVG a.F.). Dabei ist in der obergerichtlichen Rspr. umstritten, welche Gebühren zu erstatten sind, wenn eine Beiordnung erst erfolgt, nachdem mehrere Verfahren, in denen der Pflichtverteidiger bereits als Wahlverteidiger tätig war, i.S.d. § 4 StPO verbunden worden sind.
Entgegen der Auffassung des Verteidigers waren die Verfahren nicht lediglich g...