RVG § 48 Abs. 1 RVG VV Nr. 4143 StPO §§ 140, 141, 404 Abs. 5

Leitsatz

Einem bestellten Pflichtverteidiger steht keine Vergütung für seine auf das Adhäsionsverfahren bezogene Tätigkeit zu, wenn er nicht auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnet wurde.

OLG Koblenz, Beschl. v. 14.3.2014 – 2 Ws 104/14

1 Sachverhalt

Das AG hatte dem Angeklagten gem. § 140 Abs. 2 StPO einen Pflichtverteidiger beigeordnet. In der Hauptverhandlung stellte ein Zeuge den Antrag, den Angeklagten im Wege des Adhäsionsverfahrens zu einem Schmerzensgeld zu verurteilen. Daraufhin schlossen beide einen in der Hauptverhandlung protokollierten Vergleich zur Abgeltung sämtlicher materieller und immaterieller Schäden aus der angeklagten Tat durch Zahlung von 3.000,00 EUR.

Nach rechtskräftiger Verurteilung des Angeklagten beantragte der Pflichtverteidiger, neben der Festsetzung von Pflichtverteidigergebühren und -auslagen weitere Gebühren (Nr. 4143 VV) und Auslagen für die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren in Höhe von insgesamt 698,53 EUR festzusetzen und begründete dies damit, dass sich die Beiordnung als Pflichtverteidiger auf die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren erstrecke.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat das AG die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt und den weitergehenden Kostenfestsetzungsantrag des Pflichtverteidigers auf Erstattung der Gebühren für das Adhäsionsverfahren als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die hiergegen eingelegte Erinnerung des Pflichtverteidigers hat das AG den Kostenfestsetzungsbeschluss aufgehoben und festgestellt, dass sich die Bestellung des Verteidigers als Pflichtverteidiger auch auf die Vertretung im anhängigen Adhäsionsverfahren erstreckte.

Die hiergegen erhobene Beschwerde des Bezirksrevisors hat die 2. Strafkammer des LG Koblenz, nach Übertragung des Verfahrens auf die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern, als unbegründet verworfen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Mit seiner hiergegen gerichteten weiteren Beschwerde macht der Bezirksrevisor des LG geltend, die Pflichtverteidigerbestellung umfasse nicht die Vertretung des Angeklagten im Adhäsionsverfahren.

2 Aus den Gründen

Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hat (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 RVG, 122 Abs. 1 GVG), ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3, Abs. 6 S. 1 und 4 RVG) und hat auch in der Sache Erfolg.

Die gem. §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 S. 2 RVG, 546, 547 ZPO inhaltlich beschränkte Prüfung ergibt, dass dem im Verfahren bestellten Pflichtverteidiger gegen die Staatskasse für seine auf das Adhäsionsverfahren bezogene Tätigkeit keine Vergütung zusteht, weil er nicht auch für das Adhäsionsverfahren beigeordnet wurde (§ 48 Abs. 1 RVG).

1. Nachdem der Angeklagte keinen entsprechenden Antrag im Verfahren gestellt hat, wurde ihm weder Prozesskostenhilfe nach § 404 Abs. 5 StPO bewilligt noch ist eine ausdrückliche Beiordnung des Pflichtverteidigers für das Adhäsionsverfahren erfolgt.

2. Die Bestellung des Verteidigers zum Pflichtverteidiger des Angeklagten nach §§ 140, 141 StPO als solche umfasst nicht auch das Tätigwerden zur Abwehr eines gegen den Angeklagten gerichteten Adhäsionsantrages.

Während der BGH die Frage, ob die Bestellung zum Pflichtverteidiger auch das Tätigwerden zur Abwehr von Adhäsionsanträgen umfasst, ausdrücklich offengelassen hat (NJW 2001, 2486), wird diese in der obergerichtlichen Rspr. und der Lit. unterschiedlich beantwortet.

a) Teile der Lit. (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. § 140 Rn 5; Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl., § 140 Rn 4) und der Rspr. (vgl. OLG Schleswig NStZ 1998, 101; OLG Hamm StraFo 2001, 361; OLG Köln StraFo 2005, 394 [= AGS 2005, 436]; OLG Rostock StV 2011, 656 [= AGS 2011, 540], jeweils m.w.Nachw.) vertreten die Auffassung, dass die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger auch die Befugnis zur Vertretung bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten im Adhäsionsverfahren umfasse, ohne dass es einer zusätzlichen und gesonderten Beiordnung oder der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bedürfe. Grund hierfür sei, dass die Bestellung zum Pflichtverteidiger für das gesamte Strafverfahren gelte, daher auch für das Adhäsionsverfahren als unselbstständigen Teil des Strafverfahrens, und sich der Angeklagte insgesamt verteidigen müsse. Die Tätigkeit des Verteidigers im Strafverfahren lasse sich nicht von derjenigen des anwaltlichen Vertreters im Adhäsionsverfahren trennen, zumal beide in unmittelbarer Wechselwirkung stünden. Es sei daher praktisch keine Tätigkeit des Pflichtverteidigers für den Angeklagten denkbar, die nicht zugleich Einfluss zumindest auf die Höhe des im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Anspruchs haben könnte.

b) Nach der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rspr. ist die Abwehr von Adhäsionsanträgen jedoch nicht von der Bestellung zum Pflichtverteidiger umfasst (vgl. OLG Hamm NJW 2013, 325 [= AGS 2013, 13]; OLG Karl...

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