BGB §§ 315, 612 ; RVG §§ 14 Abs. 1 S. 1, 34 Abs. 1 S. 3
Leitsatz
Eine anwaltliche Gebührenbestimmung für die gegenüber einem Verbraucher entstandenen Vergütungsansprüche einer Erstberatung entspricht nicht der Billigkeit, wenn sie rein zeitabhängig und ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolgt.
AG Stuttgart, Urt. v. 20.3.2014 – 1 C 4057/12
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine weitere Vergütung für dessen anwaltliche Tätigkeit zu bezahlen.
Mit E-Mail vom 11.6.2012, welche die Beklagte von ihrer geschäftlichen E-Mail-Adresse versandte, nahm die Beklagte Kontakt zu dem Kläger auf. In der E-Mail schilderte die Beklagte, dass sie Probleme mit einer Fluggesellschaft hatte, weil sie an diese 331,00 EUR zusätzlich für einen Rückflug bezahlen musste, nachdem die Fluggesellschaft die Beklagte wegen eines nicht wahr genommenen Hinflugs auch von der Passagierliste für den Rückflug gestrichen hatte. In dieser Angelegenheit bat sie den Kläger um Rat sowie darum, vorab mitzuteilen, ob diese Auskunft Gebühren, gegebenenfalls in welcher Höhe, koste.
Noch am gleichen Tag nahm der Kläger telefonisch Kontakt zur Beklagten auf. Im Zuge dieses Telefonats, dessen Dauer und genauer Inhalt streitig sind, wurde über das Anliegen der Beklagten gesprochen, wobei der Kläger jedenfalls einige Fachbegriffe verwendete und sich zu den Erfolgsaussichten eines außergerichtlichen Vorgehens äußerte. Der abschließend geäußerten Aufforderung des Klägers, ein Gedächtnisprotokoll zu erstellen und dieses zusammen mit den weiteren Unterlagen hereinzureichen, kam die Beklagte mit E-Mail vom 12.6.2012 nach. In dieser E-Mail teilte die Beklagte die Kontaktdaten ihrer Rechtsschutzversicherung mit.
Nachdem die Beklagte mit E-Mail vom 20.6.2012 anfragte, ob der Kläger bereits etwas für sie habe erreichen können, antwortete der Kläger mit E-Mail vom gleichen Tag, in welcher er der Beklagten eine Vergütungsvereinbarung über 249,00 EUR (brutto, einschließlich Auslagenpauschale) nebst Vollmachtserklärung übersandte. Ebenfalls mit E-Mail vom gleichen Tag antwortete die Beklagte und teilte mit, die Sache nicht weiter verfolgen zu wollen. Unter dem 21.6.2012 stellte der Kläger der Beklagte für seine Tätigkeit 249,00 EUR (brutto, einschließlich Auslagenpauschale) in Rechnung.
Auf diese Rechnung bezahlte die Beklagte einen Betrag in Höhe von 29,45 EUR.
Der Kläger behauptet, er habe die Beklagte bereits in dem Telefonat vom 11.6.2012 darüber aufgeklärt, dass seine Tätigkeit mit 249,00 EUR zu vergüten sei. Die Beklagte habe dem unter Hinweis auf das Vorhandensein der Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung zugestimmt. Der Kläger habe die Angelegenheit daraufhin ausführlich mit der Beklagten besprochen und die Rechtslage unter Hinweis auf europarechtliche Vorgaben und das Montrealer Übereinkommen erläutert. Der Kläger behauptet weiter, die Bearbeitung der Angelegenheit habe insgesamt einen Zeitaufwand von 225 Minuten verursacht. Bezüglich der Teilzahlung von 29,45 EUR behauptet der Kläger, diese erst während des laufenden Verfahrens erhalten zu haben.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe vor diesem Hintergrund die geforderte Vergütung zu. Soweit eine Gebührenvereinbarung nicht festzustellen sei, handele es sich jedenfalls um die nach § 34 Abs. 1 S. 2 RVG geschuldete Vergütung. Dabei sei die Beklagte als Unternehmerin aufgetreten, was aber dahin stehen könne, weil die geforderte Vergütung sich ohnehin im Rahmen des § 34 Abs. 1 S. 3 RVG halte.
Die Beklagte bestreitet, dass mit dem Kläger mündlich eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung getroffen worden sei. Sie ist weiter der Auffassung, dass sich dem Sachverhalt schon keine Beauftragung des Klägers entnehmen lasse. Jedenfalls entspreche die übliche Vergütung, welche in Ermangelung einer Gebührenvereinbarung abgerechnet werden könne, in Anlehnung an Nr. 2100 VV (in der bis 30.6.2006 geltenden Fassung) einer 0,55-Mittelgebühr und belaufe sich daher auf die bereits bezahlten 29,45 EUR.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Beklagten als Partei im Termin sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens der RAK Berlin.
2 Aus den Gründen
Die Klage ist überwiegend unbegründet.
Der Kläger kann aufgrund der für die Beklagte erbrachten Erstberatung lediglich einen Betrag in Höhe von 48,20 EUR beanspruchen, weshalb die Beklagte – nach unstreitiger Teilzahlung in Höhe von 29,45 EUR – noch zu einer Zahlung von 18,75 EUR zu verurteilen war. Soweit der Kläger eine Gebührenbestimmung in Höhe von 249,90 EUR vorgenommen hat, liegt darin keine billige Ermessensausübung (§§ 34 Abs. 1 S. 3, 14 RVG i.V.m. 612, 315 BGB), weshalb die durch den Kläger vorgenommene Gebührenbestimmung durch die gerichtliche Bestimmung zu ersetzen war.
1. Dass zwischen den Parteien zumindest ein Anwaltsvertrag bezüglich einer Erstberatung, wobei es sich um eine "Einstiegsberatung" handelt (vgl. Mayer/Kroiß-Teubel/Winkler, RVG, 6. Aufl., 2013, § 34 Rn 97), durch schlüssiges Verhalten zustande gek...