RVG §§ 10, 7 Abs. 2 RVG VV Nr. 1008
Leitsatz
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so kann er seine Vergütung nur verlangen, wenn er jedem einzelnen Auftraggeber eine auf ihn lautende Rechnung über den von ihm nach § 7 Abs. 2 RVG geschuldeten Betrag übermittelt. Die Erteilung einer "Gesamtrechnung" an alle Auftraggeber über den Gesamtbetrag genügt nicht den Anforderungen des § 10 RVG.
AG Kerpen, Urt. v. 17.7.2014 – 102 C 93/14
1 Sachverhalt
Der Anwalt hatte zwei Auftraggeber (Miteigentümer einer Eigentumswohnung) vertreten und ihnen anschließend eine auf beide lautende Rechnung über eine 1,6-Geschäftsgebühr (1,3-Schwellengebühr, Anm. zu Nr. 2300 VV + 0,3 Erhöhung nach Nr. 1008 VV) nebst Auslagen und Umsatzsteuer übermittelt. Nachdem die Auftraggeber nicht zahlten, klagte der Anwalt seine Vergütung ein. Das AG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen
Die Klage war abzuweisen, da die Forderung derzeit nicht fällig ist.
I. Zwar lässt sich dem Grunde nach ein Anspruch des Klägers bejahen … (wird ausgeführt) …
II. Allerdings steht der Geltendmachung der Forderung ein die Fälligkeit hemmendes Hindernis entgegen, da es an einer ordnungsgemäßen Berechnung gem. § 10 RVG fehlt.
Gem. dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diesen Anforderungen genügt die von der Klägerseite vorgelegte Berechnung derzeit nicht.
Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass auf der Auftraggeberseite zwei Mandanten stehen und die Abrechnung diesen Umstand berücksichtigen muss. Für eine ordnungsgemäße Abrechnung in diesem Fall ist zwar nicht erforderlich, dass die Abrechnung gegenüber beiden Auftraggebern erfolgt. Insoweit ist ausreichend, alle Auftraggeber in der Abrechnung aufzuführen (LG Mannheim, Urt. v. 2.5.2012 – 4 U 15/11). Allerdings muss die Abrechnung dann dem Tatbestand des § 7 Abs. 2 RVG Rechnung tragen, wonach jeder von mehreren Auftraggebern nur die Gebühren schuldet, wenn er allein in seinem Auftrag tätig geworden wäre. In diesem Fall handelt es sich nämlich um eine Ausnahme von der gesamtschuldnerischen Haftung der Auftraggeber, so dass es zu einem Auseinanderfallen der Gebührenforderung in Gesamt- und Einzelschulden der Auftraggeber kommt. Genügt die Berechnung des Anwalts diesem zwingenden Erfordernis nicht, ist die Anwaltsvergütung nicht einforderbar (Teubel, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 7 Rn 7; ferner: Mayer, a.a.O., § 10 Rn 37 m.w.Nachw.; LG Mannheim a.a.O.).
Danach ist jedenfalls von einer jedenfalls gegenwärtig fehlenden Fälligkeit der Forderung auf der Grundlage der Gebührenberechnung auszugehen.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend. Mehrere Auftraggeber haften nicht gesamtschuldnerisch, sondern gem. § 7 Abs. 2 RVG nur auf die Vergütung ihres Auftrags (sog. "eigenartiges Gesamtschuldverhältnis"). Will der Anwalt gegenüber mehreren Aufraggebern abrechnen, so hat er jedem Auftraggeber eine eigene, auf ihn lautende, Rechnung zu erteilten, und zwar eine solche, die erkennen lässt, inwieweit er allein in Anspruch genommen werden kann.
Unzutreffend war es allerdings, die Forderung als derzeit nicht fällig abzuweisen. Die Forderung war fällig (siehe § 8 RVG); sie war lediglich nicht klagbar (§ 10 Abs. 1 RVG).
Norbert Schneider
AGS, S. 375 - 376