RVG VV Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104
Leitsatz
Die fiktive Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3104 VV fällt nur dann an, wenn nach einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid durch den Kläger zulässigerweise ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt werden kann, weil er nicht vollständig obsiegt hat.
Schleswig-Holsteinisches VG, Beschl. v. 6.7.2017 – 12 A 945/16
1 Sachverhalt
Der Erinnerungsführer wurde durch seine Rechtsanwältin als Prozessbevollmächtigte in vorbezeichneter asylrechtlicher Verwaltungsrechtssache gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem VG vertreten. Das Gericht gab der Klage durch mittlerweile rechtskräftigen Gerichtsbescheid vollumfänglich statt. In der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheids wurde auf die Möglichkeit des Antrags auf Zulassung der Berufung sowie auf mündliche Verhandlung hingewiesen.
Mit Antrag v. 16.12.2016 begehrte der Erinnerungsführer u.a. die Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte die zu erstattenden Kosten ohne die geforderte Terminsgebühr fest. Zur Begründung verwies er im Wesentlichen darauf, dass es beim vollständigen Obsiegen an einer Beschwer fehle und die Kläger deshalb keinen Rechtsbehelf einlegen könnten. Die Zurückweisung gleichwohl eingelegter Rechtsbehelfe bedürfe keines Urteils (und damit einer die Gebühr auslösenden mündlichen Verhandlung), sondern könne auch durch Beschluss erfolgen.
Unter Hinweis auf das VG Regensburg (Beschl. v. 30.3.2015 – RO 9 K 15.50006, juris Rn 4) wies er daraufhin, dass es dem von § 84 VwGO grundsätzlich intendierten Beschleunigungs- und Entlastungszweck widerspreche, wenn ein Beteiligter auch bei offensichtlichem Fehlen der Gründe für das Verlangen auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung das Gericht gleichwohl dazu zwingen könnte.
Der Erinnerungsführer hat die Entscheidung des Gerichts beantragt. Er trägt vor, dass er auf mündliche Verhandlung verzichtet hätte und dass der Wortlaut des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV keine Einschränkung dahingehend vorsehe, dass die Gebühr nur von derjenigen Partei geltend gemacht werden könne, die beschwert sei. Neuere Entscheidungen (VG Köln, Beschl. v. 15.5.2017 – 8 K 9699/16.A; VG Düsseldorf, Beschl. v. 6.3.2017 – 13 I 6/17 [in diesem Heft]) würden dies stützen. Zudem lasse der angegriffene Beschluss außer Acht, dass bei entsprechender Auslegung die Terminsgebühr zu einer Misserfolgsgebühr werde.
2 Aus den Gründen
Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) ist unbegründet.
Der Urkundsbeamte hat zu Recht keine Terminsgebühr als Vergütungsbestandteil festgesetzt. Nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 des VV entsteht die Terminsgebühr (auch), wenn (1.) nach § 84 Abs. 1 S. 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 S. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und (2.) eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann.
Es ist vorliegend zwar durch Gerichtsbescheid entschieden worden und der Wortlaut von § 84 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 7 AsylG und die entsprechend im Gerichtsbescheid erteilte Belehrung lassen vermuten, dass auch die zweite Voraussetzung vorliegt. Allerdings ist der Wortlaut nicht eindeutig und stellt nicht klar, ob damit lediglich die rein formelle Möglichkeit der Stellung eines Antrages auf mündliche Verhandlung gemeint ist oder ob nicht vielmehr die Antragstellung auch konkret zu einer mündlichen Verhandlung führen können muss.
Die gesetzliche Begründung zur Anpassung der Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 2 VV (BT-Drucks 17/11471, 275) stellt klar, dass nach dem gesetzgeberischen Willen die Entstehung einer fiktiven Terminsgebühr auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann. In der Begründung heißt es:
"Die Entstehung der fiktiven Terminsgebühr soll konsequent auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anwalt durch sein Prozessverhalten eine mündliche Verhandlung erzwingen kann, weil nur in diesem Fall eine Steuerungswirkung notwendig ist. Im Falle des Gerichtsbescheids sowohl in Verfahren nach der VwGO als auch im Verfahren nach dem SGG liegt es allein in der Entscheidungsbefugnis des Gerichts, das Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu beenden. Die Beteiligten können in beiden Verfahrensarten nur dann eine mündliche Verhandlung beantragen, wenn gegen den Gerichtsbescheid kein Rechtsmittel gegeben ist. Die Entstehung der Terminsgebühr soll auf diese Fälle beschränkt werden."
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat vollständig obsiegt. In einem solchen Fall besteht bereits keine Erforderlichkeit, auf einen etwaigen entsprechenden Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Die Ablehnung eines – mangels Rechtsschutzbedürfnisses offensichtlich unzulässigen – Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung muss nicht notwendigerweise durch Urteil erfolgen. Das Gericht kann den Antrag bei einem solchen Sachverhalt durch Beschluss in entsprechender Anwendung von § 125 Abs. 2 S. 1 und 2 VwGO als unzulässig verwerfen (vgl. VG Regensburg, Beschl. v. 30.3....