BGB § 249; RVG § 23; RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
Behält der Geschädigte nach einem wirtschaftlichen Totalschaden das Unfallwrack unter Anrechnung des Restwerts auf den Wiederbeschaffungswert, so richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Gesamtschaden unter Abzug des Restwerts.
BGH, Urt. v. 18.7.2017 – VI ZR 465/16
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte hinsichtlich ihres bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs den Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 7.617,48 EUR (Wiederbeschaffungswert von 23.697,48 EUR abzüglich Restwert i.H.v. 16.080,00 EUR) sowie weitere durch das Schadensereignis verursachte Kosten i.H.v. 1.709,96 EUR geltend gemacht und von der Beklagten ersetzt erhalten. Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 9.327,44 EUR (Wiederbeschaffungsaufwand zuzüglich weiterer Kosten) hat die Beklagte an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 745,40 EUR ersetzt. Die Klägerin ist der Auffassung, die Rechtsanwaltskosten seien aus einem Gegenstandswert von 25.407,44 EUR zu berechnen, der sich aus dem Wiederbeschaffungswert – ohne Abzug des Restwerts – und den weiteren Kosten zusammensetze. Es stünden ihr daher noch weitere 396,50 EUR an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.
Das AG hat der auf Zahlung des Restbetrags gerichteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Die Revision hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu ersetzenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen sei, der berechtigten Schadensersatzforderung gegenüber dem Schädiger, also dem zu ersetzenden Schaden entspreche. Auf das Innenverhältnis zwischen der Geschädigten und ihrem Rechtsanwalt und auf den Umstand, dass der Rechtsanwalt den Restwert zu ermitteln habe, komme es nicht an. Im vorliegenden Fall habe von Anfang an kein Schaden in Höhe des Restwerts des Fahrzeugs, das die Klägerin behalten habe, bestanden, weshalb sie als Hauptforderung auch nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich des vorhandenen Restwerts geltend gemacht habe.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, unter Abzug des Restwerts des Unfallfahrzeugs bestimmt.
1. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Nach der std. Rspr. des BGH (Senatsurt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rn 5 [= AGS 2006, 256]; v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; v. 8.11.1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; BGH, Urt. v. 23.10.2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist (Senatsurt. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rn 13; v. 13.4.1970 – III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Die von einem – einsichtigen – Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge sind demgegenüber nicht maßgeblich (BGH, Urt. v. 13.4.1970 – III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (Senatsurt. v. 18.1.2005 – VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; vgl. auch Senatsurt. v. 10.1.2006 – VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rn 6 [= AGS 2006, 256]; BGH, Urt. v. 13.4.1970 – III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Damit ist dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (BGH, Urt. v. 7.11.2007 – VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rn 13).
2. Die – von der Klägerin gegenüber der Beklagten nur in diesem Umfang geltend gemachte – Forderung auf Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwe...