Die Klage hat Erfolg, denn sie ist zulässig und begründet.

Zutreffend verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG), gerichtet auf die Freistellung von dem Vergütungsanspruch ihres Bevollmächtigten (vgl. BSG v. 21.12.2009 – B 14 AS 83/08 R; für das Zivilrecht auch BGH v. 22.3.2011 – VI ZR 63/10).

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten gem. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X einen Anspruch darauf, von Rechtsanwaltskosten für das Widerspruchsverfahren freigestellt zu werden. Die Rechtsanwaltskosten sind als notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gem. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X vom Beklagten zu erstatten, ohne dass es darauf ankommt, ob sich die Klägerin im Innenverhältnis zu ihrem Prozessbevollmächtigten auf Verjährung berufen könnte (dazu unter I.).

Die im Klageweg zuletzt geltend gemachte Freistellung von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 166,60 EUR entspricht auch der Höhe nach der Billigkeit und sind daher in der geltend gemachten Höhe festzusetzen (dazu unter II.).

Der Anspruch auf Freistellung nach § 63 SGB X ist auch durchsetzbar, weil sich der Beklagte vorliegend jedenfalls nicht auf dessen Verjährung berufen hat (dazu unter III.).

I. Nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Widerspruch erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Anerkannt ist insoweit auch, dass eine zuvor erfolgte Rechnungslegung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten für die Geltendmachung des Anspruchs nach § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht erforderlich ist, sondern dass auch vor Rechnungslegung entsprechend § 257 BGB eine Freistellung von dem Gebührenanspruch über § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X begehrt werden kann (siehe nur BSG v. 2.12.2014 – B 14 AS 60/13 R; SG Nordhausen v. 26.10.2015 – S 31 AS 818/14).

Notwendig i.S.d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist dabei alles, was ein verständiger Beteiligter im Hinblick auf die Bedeutung sowie die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (Roos, in: von Wulffen, § 63 SGB X Rn 13 m.w.N.). Grundsätzlich sind dabei die vom Rechtsanwalt nach dem RVG zu fordernden Gebühren und Auslagen als vernünftige Ausgabe in diesem Sinn zu verstehen.

Hieraus folgt, dass die Gebührenrechnung des Rechtsanwalts – vorbehaltlich ihrer Billigkeit der Höhe nach – stets dann als erstattungsfähig anzusehen ist, wenn der Rechtsanwalt diese dem Grunde nach von Rechts wegen vom Mandanten fordern kann. Sofern die Gebührenforderung des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten verjährt sein sollte, kann der Rechtsanwalt diese dennoch jedenfalls dann fordern, wenn sich der Mandant auf die eingetretene Verjährung nicht berufen hat. Denn in diesem Fall bedingt der Einredecharakter der Verjährung, dass die Gebührenforderung weiterhin vollwirksam bestehen bleibt und auch durchsetzbar ist (vgl. BGH v. 2.10.2003 – V ZB 22/03 sowie ausführlich BGH v. 27.1.2010 – VIII ZR 58/09 m.w.N.).

Verjährung der Gebührenforderung des Rechtsanwalts tritt ein, wenn nach Ablauf des Jahres, in dem die Forderung i.S.d. § 8 Abs. 1 RVG nach Abschluss des Auftrags oder Beendigung der Angelegenheit fällig wurde, drei Jahre vergangen sind, §§ 199 Abs. 1, 195 BGB. Im vorliegenden Fall wurde die Angelegenheit "Widerspruchsverfahren W 4322/09" mit Bescheid des Beklagten v. 12.1.2010 beendet. Mithin begann die Verjährung der Gebührenforderung – vorbehaltlich eventuell abweichender Vereinbarungen im Innenverhältnis von Mandant und Rechtsanwalt – mit Ablauf des Jahres 2010, sodass die Gebührenforderung mit Ablauf des Jahres 2013 verjährt sein dürfte. Damit spricht vieles dafür, dass die Klägerin gegen die zur Kostenfestsetzung beantragte Gebührenforderung tatsächlich die Einrede der Verjährung erheben konnte. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich die Klägerin gegenüber ihrem Prozessbevollmächtigten auch auf die Verjährung berufen hat. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte schriftsätzlich erklärt, dass ihm gegenüber die entsprechende Einrede nicht erhoben wurde. Mithin ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach wie vor einer vollwirksamen und durchsetzbaren Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten ausgesetzt ist, die einzig noch von der Rechnungslegung nach § 10 RVG abhinge. Eine solche vollwirksame und bei Rechnungslegung auch durchsetzbare Gebührenforderung des Rechtsanwalts zählt aber grundsätzlich zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen i.S.d. § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Auch liegt hier kein Fall eines Verstoßes der Klägerin gegen die Kostenminderungspflicht vor, der dazu führte, dass die zur Festsetzung beantragten Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr als "zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig" zu erstatten wären (a.A. SG Berlin v. 20.8.2014 – S 204 AS 14829/13; SG Nordhausen v. 26.10.2015 – S 31 AS 818/14 u. v. 16.1.2017 – S 31 AS 2363/14).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?