GKG § 63; RVG § 33
Leitsatz
Entfallen die Gerichtsgebühren nach der Vorbem. 8 GKG-KostVerz., kommt eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des GKG nicht in Betracht.
LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.7.2017 – 17 Ta (Kost) 6030/17
1 Aus den Gründen
Die im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten des Klägers erhobene Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des ArbG ist zulässig (§ 68 Abs. 1 GKG) und führt zur Aufhebung der Streitwertfestsetzung.
1. Das ArbG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Wert des Streitgegenstandes als Grundlage für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt, während eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausdrücklich nicht erfolgt ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes waren nicht gegeben, weil in dem Rechtsstreit Gerichtsgebühren nicht in Ansatz zu bringen sind.
a) Der Rechtsstreit wurde durch den vor dem LAG durch Beschluss festgestellten Vergleich erledigt. Die Gerichtsgebühren sind daher gem. der Vorbem. 8 GKG-KostVerz. entfallen und nicht zu erheben.
b) Es ist allerdings umstritten, ob bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren weiterhin eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG – mit Bindung für die anwaltliche Vergütung (§ 32 RVG) – zu erfolgen hat oder ob nunmehr der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG festzusetzen ist. Während nach einer Auffassung die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes weiterhin maßgebend sein sollen (vgl. nur LAG Düsseldorf, Beschl. v. 5.12.2006 – 6 Ta 583/06, juris; LAG Hamm, Beschl. v. 28.4.2006 – 6 Ta 95/06, juris; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 21.2.2006 – 3 Ta 23/06, juris; Beschl. v. 14.7.2011 – 5 Ta 101/11, juris), finden diese nach einer gegenteiligen Auffassung keine Anwendung (vgl. nur LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 15.12.2011 – 6 Ta 198/11, juris [= AGS 2012, 487]; LAG Hamburg, Beschl. v. 9.11.2015 – 6 Ta 22/15, juris [= AGS 2016, 420]).
c) Die Beschwerdekammer folgt weiterhin der zuletzt genannten Auffassung. Die Streitwertfestsetzung nach § 63 GKG dient vor allem dem Zweck, die Höhe der Gerichtsgebühren zu bestimmen. Sind Gerichtsgebühren nicht (mehr) zu erheben, fehlt ein Anlass für diese Wertfestsetzung. Dem Interesse des Rechtsanwalts, seine Gebühren berechnen zu können, wird durch die sachnähere Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausreichend Rechnung getragen, bei der es allein um die anwaltliche Vergütung geht. Dass eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG für die anwaltliche Vergütung nach § 32 Abs. 1 RVG bindend sein kann, ändert nichts daran, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren "für die Gerichtsgebühren" erfolgt und bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren ohne Gegenstand ist.
3. Dem Erfolg der Beschwerde steht nicht entgegen, dass eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG nicht eintreten kann, wenn eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG nicht statthaft ist. Durch die angefochtene Entscheidung entsteht der Rechtsschein, die nicht veranlasste Streitwertfestsetzung sei auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend; diesen Rechtsschein gilt es zu beseitigen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 4.11.2016 – 9 C 16.1684, juris).
4. Das ArbG wird nach alledem über den Wertfestsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Beteiligung des Klägers als Schuldner der anwaltlichen Vergütung gem. § 33 RVG zu entscheiden haben. Es wird dabei zu berücksichtigen sein, dass sich der Kläger mit seinen Klageanträgen gegen zwei voneinander unabhängige Kündigungen gewandt hat, die angesichts der jeweiligen Beendigungszeitpunkte jeweils mit dem Vierteljahresverdienst zu bewerten sein dürften.
AGS, S. 410