RVG VV Nr. 2300 RVG § 15
Leitsatz
Der Rechtsanwalt erhält bei zusammengefasster Einspruchsentscheidung über mehrere Einsprüche mehrere Geschäftsgebühren. Dem steht nicht entgegen, dass gegen die zusammengefasste Einspruchsentscheidung eine Klage erhoben wurde, sodass sich im Gerichtsverfahren nur eine Angelegenheit ergeben hat, für die ein Gesamtstreitwert zu bilden war. Die Bildung eines Gesamtstreitwerts für das Vorverfahren scheidet aus.
FG Köln, Beschl. v. 12.7.2012 – 10 Ko 4029/11
1 Sachverhalt
Die Bevollmächtigten der Erinnerungsgegnerin hatten getrennt Einspruch eingelegt gegen die Umsatzsteuerbescheide 2004 v. 12.6.2006 und 2005 v. 5.9.2007. Der Erinnerungsführer hat über die getrennt erhobenen Einsprüche durch gemeinsame Einspruchsentscheidung v. 20.9.2007 entschieden. Darin hat er die Umsatzsteuerfestsetzungen zu Lasten der Erinnerungsgegnerin erhöht.
Die Erinnerungsgegnerin hat gegen die Einspruchsentscheidung die Klage 5 K 3827/07 erhoben. Das FG hat der Klage stattgegeben und die Kosten dem Beklagten und Erinnerungsführer auferlegt. Gleichzeitig wurde die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt.
Daraufhin beantragte die Erinnerungsgegnerin, die ihr zu erstattenden Kosten festzusetzen. Dabei legte sie jeweils eine 2,5-Geschäftsgebühr für den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2004 und den Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 zugrunde. Sie ging jeweils von dem Gegenstandswert für das einzelne Verfahren aus.
Der Kostenbeamte des FG setzte die der Erinnerungsgegnerin zu erstattenden Kosten insoweit antragsgemäß fest.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer rechtzeitig Erinnerung eingelegt. Mit dieser trägt er vor, der Streitwert für das gerichtliche Verfahren bestimme sich nach § 52 GKG. Würden in einem gerichtlichen Verfahren mehrere selbstständige Klagebegehren i.S.d. § 43 GKG behandelt, so sei nur ein Gesamtstreitwert festzusetzen. Da der Streitwert des Klageverfahrens auch maßgeblich für die Berechnung der erstattungsfähigen Kosten des außergerichtlichen Verfahrens sei, sei auch hier ein Gesamtstreitwert zu bilden.
Die Erinnerungsgegnerin beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen. Zur Begründung führt sie aus, die Bildung eines Gesamtstreitwerts für das gerichtliche Verfahren sei angezeigt gewesen, da durch die Erhebung einer Klage mit zwei getrennten Klagegegenständen nur eine Angelegenheit i.S.d. § 17, § 22 RVG entstanden sei. Bezüglich der Einspruchsverfahren liege die Sache anders. Hier habe es zwei getrennte Verfahren gegeben. Der Gegenstandswert des außergerichtlichen Vorverfahrens bestimme sich nach dem Umfang, in dem der außergerichtliche Rechtsbehelf erfolglos geblieben und im Klageverfahren weiterverfolgt worden sei.
2 Aus den Gründen
Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtmäßig und verletzt den Erinnerungsführer deshalb nicht in seinen Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 FGO analog.
Der Kostenbeamte hat in dem Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht zweimal die Geschäftsgebühr unter Zugrundelegung des jeweiligen Einzelstreitwerts angesetzt.
1. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG kann der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr für jede eigene Angelegenheit fordern kann, d.h. bei verschiedenen Angelegenheiten entstehen jeweils getrennte Geschäftsgebühren.
Dieselbe Angelegenheit liegt u.a. nur dann vor, wenn sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in dem gleichen Rahmen abspielt (Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 15 RVG, Rn 8). Getrennt erhobene Einsprüche gegen verschiedene Steuerbescheide führen zu mehreren Verfahren. Mehrere Verfahren bedeuten mehrere Angelegenheiten (Hartmann, KostG, 40. Aufl. 2010, § 15 RVG Rn 17; vgl. auch das Beispiel bei Mayer, a.a.O., mit der Geltendmachung von Ansprüchen in einer Unfallsache in einem oder in zwei Briefen). Es ist deshalb in der finanzgerichtlichen Rspr. unstrittig, dass die einmal entstandene Geschäftsgebühr auch bei späterer Verbindung von zunächst verschiedenen Angelegenheiten bestehen bleibt. Der Rechtsanwalt erhält bei zusammengefasster Einspruchsentscheidung über mehrere Einsprüche mehrere Geschäftsgebühren (vgl. Beschl. des beschließenden Senats v. 23.8.2000 – 10 Ko 1701/99, EFG 2000, 1275; FG Bremen, Beschl. v. 15.11.1993 – 2 93-077 E 2, EFG 1994, 313 und FG Bremen, Beschl. v. 2.3.2000 – 2 98 273 Ko 2, EFG 2000, 513; Brandis, in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 139 FGO Tz. 136 (Stand Januar 2010).
2. Dieser Lösung steht nicht entgegen, dass die Erinnerungsgegnerin gegen die Einspruchsentscheidung eine Klage erhoben hat, sodass sich im Gerichtsverfahren nur eine Angelegenheit ergeben hat, für die ein Gesamtstreitwert zu bilden war. Für die Bildung eines Gesamtstreitwerts auch für das Vorverfahren gibt es keine Rechtsgrundlage:
a) Vorab weist der Senat darauf hin, dass die zuvor zitierte FG-Rspr. insoweit nicht einschlägig ist, da, soweit aus den mitgeteilten Entscheidun...