1. Wenn einem Rechtsanwalt, gegen dessen Auftraggeber im Beschlusswege eine einstweilige Verfügung auf wettbewerbsrechtliche Unterlassung ergangen ist, ausschließlich der Auftrag erteilt wird, im Kostenpunkt Widerspruch zu erheben, entsteht für ihn nach nahezu einhelliger Auffassung nur eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert (BGH NJW-RR 2003, 1293 = JurBüro 2003, 466 = AnwBl 2003, 592; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 20. Aufl., Anhang II Rn 50).

2. Im vorliegenden Fall hat der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin jedoch unwidersprochen vorgetragen, er sei von seiner Partei nicht nur mit der Einlegung eines Kostenwiderspruchs beauftragt, sondern umfassend bevollmächtigt worden. Lediglich aus prozessualen Erwägungen heraus sei gegen die einstweilige Verfügung kein Widerspruch eingelegt worden. Im Falle eines umfassenden Verfahrensauftrags entsteht zunächst eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert, auch wenn letztlich nur ein Kostenwiderspruch eingelegt wird, für den zusätzlich eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert anfällt, wobei dann die Obergrenze aus § 15 Abs. 3 RVG zu beachten ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Anhang II Rn 51).

3. Streitig ist allerdings, ob die 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert auch vom unterlegenen Prozessgegner zu erstatten ist.

a) Die wohl h.M. vertritt die Auffassung, dass im Falle einer Beschränkung der Tätigkeit des Antragsgegnervertreters auf einen Kostenwiderspruch vom Prozessgegner auch dann nur eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert zu erstatten ist, wenn der Prozessbevollmächtigte einen weiter gehenden Auftrag hatte. Begründet wird dies mit der Erwägung, dass die Kosten einer anwaltlichen Beratung, die nicht dem Führen, sondern der Vermeidung eines Rechtsstreits diene, nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO anzusehen seien (so zum früheren Recht nach der BRAGO: BGH NJW-RR 2003, 1293 = JurBüro 2003, 466 m.w.N.; OLG Hamburg MDR 2009, 174; OLG Karlsruhe MDR 2007, 1455; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 91 Rn 13, Stichwort "Kostenwiderspruch").

b) Nach der Rspr. des Senats sind dagegen die bei einem Anerkenntnis geltenden Grundsätze heranzuziehen. Ein erfolgreicher Kostenwiderspruch steht einem sofortigen Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO nahe, das eine auch zu erstattende 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert auslöst. In beiden Fällen wird der (Antrags-)Gegner in unberechtigter Weise mit einer prozessualen Maßnahme (einer Klage ohne In-Verzug-Setzung bzw. einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Abmahnung) überzogen. Im Fall des Kostenwiderspruchs ist deshalb neben der 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert auch eine 0,8-Verfahrensgebühr aus dem Wert des Verfügungsverfahrens, also dem Hauptsachewert, zu erstatten, wenn der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners einen umfassenden, nicht auf die Kostenfrage beschränkten Verfahrensauftrag hatte (Senat AnwBl. 2005, 795 = AGS 2005, 496 mit zustimmender Anm. von N. Schneider = OLGR 2005, 818; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Anhang II Rn 84, 51; ebenso zur vergleichbaren Rechtslage nach der BRAGO: KG MDR 1985, 770; OLG Köln JurBüro 1992, 803; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 40 Rn 5). Wer ohne Veranlassung mit einer einstweiligen Verfügung überzogen wird, hat das Recht, diese anwaltlich überprüfen zu lassen, auch wenn er sie letztlich als begründet anerkennt (N. Schneider, AGS 2003, 447). Bei der dahingehenden Tätigkeit des beauftragten Anwalts handelt es sich entgegen der Auffassung des BGH nicht um eine Beratung, die der Vermeidung eines Rechtsstreits dient, nachdem das Verfügungsverfahren zu diesem Zeitpunkt vom anwaltlich vertretenen Gegner bereits eingeleitet worden ist. Wie eine mit einem Rechtsmittel überzogene Partei (vgl. zu deren Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts: BGH NJW 2003, 756) kann der Antragsgegner nämlich regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung sachgerecht zu veranlassen ist.

4. Einwendungen gegen die Höhe der festgesetzten Gebühren wurden seitens der Antragstellerin nicht erhoben. Die Festsetzung ist nach einer Überprüfung durch den Senat in sachlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Der angesetzte Kostenwert wirkt sich der Höhe nach jedenfalls nicht zum Nachteil der Beschwerdeführerin aus. Die sich aus § 15 Abs. 3 RVG ergebende Obergrenze (1,3-Verfahrensgebühr aus dem Hauptsachewert) ist beachtet worden. Für die von der Antragstellerin hilfsweise geltend gemachte Anrechnung der beiden Verfahrensgebühren ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich. Die Post- und Telekommunikationspauschale ist von der Rechtspflegerin für den ersten Rechtszug zutreffend nur einmal berücksichtigt worden.

5. …

6. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil seine Entscheidung von der Rspr. des BGH und anderer Oberlandesgerichte abweicht (§ 574 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Mitgeteilt vom 11. Senat des OLG München

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