ARB § 5 RVG VV Nr. 2300

Leitsatz

Soweit der Versicherungsnehmer einem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ausgesetzt ist (hier wegen positiver Vertragsverletzung), besteht keine Eintrittspflicht des Rechtsschutzversicherers.

AG Saarbrücken, Urt. v. 28.7.2011 – 42 C 159/11

1 Sachverhalt

Die Kläger hatten zuvor einen Mietprozess geführt und waren unterlegen. Auf eine Widerklage waren sie nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Mietvertrag zur Zahlung von 102,82 EUR vorgerichtlicher Anwaltskosten der Gegenseite verurteilt worden. Das Gericht hatte den Anspruch mit einer Pflichtverletzung des Mietvertrages begründet, der die Inanspruchnahme des gegnerischen Rechtsanwalts und damit verbundene Anwaltskosten in Höhe von 102,82 EUR zur Folge hatte.

Der beklagte Rechtsschutzversicherer war in dem betreffenden Verfahren eintrittspflichtig und hatte auch Deckungsschutz zugesagt. Nach den zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen hatte der Rechtsschutzversicherer "die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen entstandenen Kosten, soweit der Versicherungsnehmer zu deren Erstattung verpflichtet ist", zu übernehmen.

Mit ihrer Klage begehren die Kläger Erstattung der 102,82 EUR, zu deren Zahlung sie auf die Widerklage hin verurteilt worden waren.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

2 Aus den Gründen

Ein Erstattungsanspruch der Versicherungsnehmer besteht nicht.

1. a) Nach h.M. ersetzt die Rechtsschutzversicherung nur prozessual verursachte Forderungen des Gegners, nicht aber solche, die allein auf materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage beruhen (vgl. Armbrüster, in: Prölls/Martin, VVG, 28. Aufl. § 5 ARB 2008 II Rn 41). Nur prozessbedingte Anwaltskosten, die in einem Kostenfestsetzungsbeschluss ausgeurteilt werden, werden demnach erstattet. Nicht erstattet werden dagegen vorgerichtliche Anwaltskosten, die auf Verzug, unerlaubter Handlung oder einer schuldhaften Vertragsverletzung beruhen.

Das AG Düsseldorf (52 C 1485/09 v. 8.4.2009 u. 37 C 8501/10 v. 10. 11. 2010) ist gleicher Auffassung. Diese gründet sich im Ausgangspunkt auf ein Urteil des BGH (NJW 1985, 1466), wonach die Rechtsschutzversicherung keine Haftpflichtversicherung sei. Wenngleich das zitierte Urteil von der Fallgestaltung her – es geht dort um eine Zahlung unter § 153a StPO im Strafverfahren – nicht einschlägig ist, lässt sich dieser Entscheidung doch die klare Trennlinie entnehmen, die von dem Tatbestandsmerkmal "die dem Gegner durch die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen" geprägt ist: Die Rechtsschutzversicherung hat demnach nur solche Kosten zu übernehmen, die der Gegenpartei gerade durch die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen entstehen. Kosten, die (auch) auf anderem Grund beruhen, sind mithin nicht von der Rechtsschutzversicherung erfasst.

b) Das Gericht hält diese Abgrenzung im Ergebnis für richtig. Aus seiner Sicht ergibt sich schon aus Sinn und Zweck der Rechtsschutzversicherung, dass Sie nur für prozessuale Kosten, nicht aber für materielle Kosten des Gegners leisten soll. So prüft die Rechtsschutzversicherung ihre Eintrittspflicht immer nur an Hand der konkreten prozessualen Situation. Die Frage, ob der Versicherungsnehmer mit der Klage oder der Rechtsverteidigung weitere Ansprüche gegen ihn auslöst, steht dagegen weder in ihrem Einfluss- noch in ihrem Risikobereich. Daher liegen Verzugsschäden und Schäden aus unerlaubter Handlung außerhalb des Risikos einer Rechtsschutzversicherung. Dies gilt auch und gerade für Anwaltskosten, die (auch) aus anderem Rechtsgrund als der reinen Interessenvertretung des Versicherungsnehmers entstehen.

c) Von der Leistungspflicht ausgeschlossen sind auch Schäden aus positiver Vertragsverletzung. Aus der einschlägigen Rspr. des BGH zur Eintrittspflicht vorgerichtlicher Anwaltskosten ergibt sich, dass solche nur ausnahmsweise in Betracht kommen; nämlich dann, wenn zu der schlichten Interessenwahrnehmung ein Verschuldenselement hinzutritt.

Ein Erstattungsanspruch unter § 280 BGB wird durch die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO zwar nicht von vornherein ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 12.12.2006 – VI ZR 224/05, BGHZ 45, 251; 52, 393). Eine Haftung nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB setzt aber nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB Fahrlässigkeit voraus, weil der so in Anspruch genommene sonst die Verletzung seiner Pflichten nach § 276 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB nicht zu vertreten hätte. Fahrlässigkeit liegt aber nur dann vor, wenn derjenige, der sich vermeintlich auf eine falsche Rechtsauffassung beruft, erkennbar grundlos handelte. Ist eine Rechtsauffassung – und sei sie auch falsch – dagegen plausibel, fehlt es an einem Verschulden.

Der BGH (Urt. v. 16.1.2009 – V ZR 133/08) hatte dazu festgestellt:

"Fahrlässig handelt der Gläubiger nämlich nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadi...

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