ZPO §§ 91 Abs. 2 S. 1, 103 BGB § 242
Leitsatz
- Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die dadurch entstanden sind, dass er einen oder mehrere gleichartige, aus einem einheitlichen Lebensvorgang erwachsene Ansprüche gegen eine oder mehrere Personen ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen verfolgt hat.
- Gleiches gilt für Erstattungsverlangen in Bezug auf Mehrkosten, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen den- oder dieselben Antragsgegner vorgegangen sind.
- Erweist sich das Kostenfestsetzungsverlangen als rechtsmissbräuchlich, muss sich der Antragsteller kostenrechtlich so behandeln lassen, als habe er ein einziges Verfahren geführt.
BGH, Beschl. v. 11.9.2012 – VI ZB 59/11
1 Sachverhalt
Der Antragsteller hatte die Antragsgegnerin auf Unterlassung einer Wortberichterstattung im Wege einer einstweiligen Verfügung in Anspruch genommen. Das LG hatte dem Antrag stattgegeben, der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von 10.000,00 EUR aufzuerlegrn. In vier weiteren Verfahren erwirkten die ebenfalls von der Berichterstattung betroffenen weiteren vier Familienmitglieder des Antragstellers gleichlautende Untersagungsverfügungen.
In seinem Kostenfestsetzungsantrag hat der Antragsteller eine Vergütung in Höhe einer 1,3- Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV nebst Auslagenpauschale, Umsatzsteuer und Gerichtsvollzieherkosten in Höhe von insgesamt 784,03 EUR zur Festsetzung angemeldet. Die Rechtspflegerin beim LG hat dem Antrag entsprochen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, die Verfolgung der Unterlassungsansprüche der fünf Familienmitglieder in fünf getrennten Verfahren sei rechtsmissbräuchlich und die hierdurch verursachten Mehrkosten nicht notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die einzelnen Antragsteller müssten sich so behandeln lassen, als hätten sie gemeinsam ein Verfahren durchgeführt. In diesem Fall wären Anwaltskosten in Höhe von lediglich 1.650,35 EUR entstanden, so dass unter Berücksichtigung der – in zwei der weiteren Verfahren geleisteten – Zahlungen der Antragsgegnerin in Höhe von 784,33 EUR und 783,33 EUR nur noch der Differenzbetrag in Höhe von 82,99 EUR festgesetzt werden könne.
Die sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben (AGS 2012, 146). Mit der vom KG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihr Begehren weiter.
2 Aus den Gründen
Das Beschwerdegericht, dessen Beschluss in AGS 2012, 146 veröffentlich ist, ist der Auffassung, dass der von der Antragsgegnerin erhobene Einwand der rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung im Kostenfestsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden könne. Das Kostenfestsetzungsverfahren diene lediglich dazu, die vom Prozessgericht getroffene Kostengrundentscheidung der Höhe nach auszufüllen, und sei deshalb auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und der Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts zugeschnitten. Die Entscheidung zwischen den Parteien streitiger Tatsachen und komplizierter Rechtsfragen sei in diesem Verfahren nicht vorgesehen. Nach diesen Grundsätzen könne der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht überprüfen, ob das Vorgehen einer Partei gegen mehrere Parteien oder das Vorgehen mehrerer Parteien gegen eine Partei in getrennten Verfahren rechtsmissbräuchlich sei. Bei dieser Frage gehe es nicht um die Ausfüllung einer konkreten Kostengrundentscheidung, sondern um die Kürzung der Erstattungsansprüche aufgrund umfangreicher materiell-rechtlicher Erwägungen, die die Entscheidungsmacht und die Entscheidungsmöglichkeiten des Rechtspflegers überschreite und in die Kompetenz des Prozessrichters gehöre.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihrer Statthaftigkeit steht nicht entgegen, dass dem angefochtenen Beschluss ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zugrunde liegt, in dem die Rechtsbeschwerde wegen des durch § 574 Abs. 1 S. 2, § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO begrenzten Instanzenzugs auch im Fall ihrer Zulassung ausgeschlossen ist (BGH, Beschl. v. 27.2.2003 – I ZB 22/02, BGHZ 154, 102, 103 f.). Diese Begrenzung gilt nicht für das Kostenfestsetzungsverfahren, das als selbstständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (BGH, Beschl. v. 6.4.2005 – V ZB 25/04, NJW 2005, 2233; v. 19.4.2007 – I ZB 47/06, GRUR 2007, 999 Rn 8; v. 6.12.2007 – I ZB 16/07, NJW 2008, 2040).
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der von der Antragsgegnerin erhobene Einwand, der Antragsteller und seine Angehörigen hätten durch das Erwirken von fünf gleichlautend...