Eine Prozessfinanzierung kann auf sehr unterschiedlichen beruflichen wie privaten Feldern sinnvoll sein. Die folgenden Beispielfälle verdeutlichen dieses breite Spektrum:
1. Insolvenz
Ein mittelständisches Unternehmen der Papierindustrie muss nach 55 Jahren Geschäftstätigkeit wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Der eingesetzte Insolvenzverwalter erkennt schnell, dass die Zahlungsunfähigkeit im Wesentlichen durch einen säumigen Großschuldner verursacht worden ist. Im Zuge der Insolvenz stoppen weitere Schuldner ihre Zahlungen bzw. halten Zurückbehaltungsrechte entgegen. Die Kasse des Insolvenzverwalters ist leer. Die Alteigentümer sind nicht bereit, Gelder aus ihrem Privatvermögen zur Verfügung zu stellen, erklären sich aber mit einer Prozessfinanzierung einverstanden. Damit kann der Insolvenzverwalter die Forderung gegen den größten Schuldner gerichtlich durchsetzen und einen Großteil der übrigen Forderungen des insolventen Unternehmens ohne Kostenrisiko für die Masse eintreiben.
2. Unternehmenskauf/-verkauf
Zu Zeiten des New-Economy-Booms erwirbt ein französisches Unternehmen 100 Prozent eines Software-Hauses in Bern. Der letzte Teil des Kaufpreises (5,5 Mio. Schweizer Franken) soll gem. einer Zielvereinbarung zwei Jahre nach Übernahme gezahlt werden. Kurz nach dem Kauf entscheidet die Käuferin gegen den Widerstand des Managements, dass das übernommene Unternehmen neben der Softwareentwicklung auch in das Hardwaregeschäft einsteigt. Als aufgrund der wirtschaftlichen Umstände die Ziele nicht erreicht werden, verweigert die Käuferin die Zahlung der letzten Kaufpreisrate. Die Verkäufer argumentieren, dass die Käuferin durch die Änderung des Unternehmensgegenstandes eine Erreichung verhindert hat, und benötigen Prozessfinanzierung für ein Schiedsverfahren vor der Internationalen Handelskammer ICC (International Chamber of Commerce).
3. Privater Schadensersatz
Auf einem Abenteuerspielplatz fällt der siebenjährige David von einem Klettergerüst, das durch die Betreiberin, die örtliche Kommune, nicht ausreichend gesichert wurde. Der Junge verletzt sich schwer und wird zeitlebens Behinderungen zurückbehalten. Kommune und Haftpflichtversicherer verweigern jegliche Haftung mit der Begründung, die Benutzung erfolge auf eigene Gefahr und das Gerüst sei sicher genug. Die Eltern benötigen Prozessfinanzierung für einen Prozess auf Schmerzensgeld, Schadensersatz und Schadensersatzrente.
4. Dienstvertrag
Ein deutscher Automobilhersteller entschließt sich, seine Designabteilung auszugliedern und als eigenständigen Dienstleister für die Automobilindustrie in Asien aufzubauen. Dazu wird von konkurrierenden Unternehmen für hohe Gehälter und sehr lukrative Zusatzleistungen (unter anderem eine Unternehmensbeteiligung) ein Management abgeworben. Als sich die asiatischen Kooperationspartner des Automobilherstellers nach den USA umorientieren, will das Unternehmen seine Versprechungen gegenüber der neuen Geschäftsleitung nicht mehr einhalten. Diese wenden sich an den Prozessfinanzierer, um finanzielle Unterstützung für die Durchsetzung ihrer dienstvertraglichen Ansprüche zu erhalten.
5. Arzthaftung
Ein junges Ehepaar freut sich auf die Ankunft ihres ersten Kindes, doch die Geburt im Krankenhaus wird ein Fiasko: Die verantwortlichen Ärzte bekommen auftretende Komplikationen nicht in den Griff und das Kind erleidet durch Sauerstoffmangel einen irreparablen Hirnschaden und wird ein lebenslanger Pflegefall. Als die Eltern Schadensersatz vom Krankenhaus fordern, weisen die Ärzte jegliche Fehler zurück. Jedoch bestätigt ein medizinisches Gutachten, dass die Ärzte nicht sorgfältig und schnell genug gehandelt haben. Da die Eltern wegen der emotionalen und finanziellen Belastung einen Rechtsstreit gegen die uneinsichtigen Ärzte und ihre Haftpflichtversicherung nicht alleine führen können und wollen, wenden sie sich an den Prozessfinanzierer. Dieser holt ein weiteres, im Ergebnis bestätigendes Gutachten ein und finanziert den Arzthaftungsprozess. Nach umfangreichen Beweisaufnahmen mit teueren Sachverständigengutachten vergleichen sich Krankenhaus und Versicherung auf Vorschlag des Gerichts auf hohem Niveau.
6. Erbschaft
Eine in Australien lebende Lehrerin hat einen vermögenden Onkel in Deutschland. Sie erfährt durch Zufall während eines Besuchs in Europa, dass ihr kinderloser Onkel verstorben ist und kein Testament hinterlassen hat. Gegenüber ihrem Anwalt weigern sich die weiteren Erben, Auskunft über das hinterlassene Vermögen zu geben. Für seine ausländische Mandantin bittet der Anwalt um Unterstützung für eine Stufenklage auf Auskunft und Herausgabe des Erbteils.
7. Scheidung
Nach 18 Jahren zerbricht die Ehe zwischen Gisela und Frank S., da dieser ein Verhältnis hat. Gisela zieht aus, die beiden minderjährigen Kinder verbleiben beim vermögenden Vater. Kurz darauf sind die gemeinsamen Konten durch Frank geplündert. Gisela erfährt von ihrem Anwalt, dass sie gegen ihren Ehemann hohe Ansprüche aus Zugewinngemeinschaft hat, doch ihr fehlen die Mittel für eine gerichtliche Durchsetzung. Der Prozessfinanzierer zahlt alle notwendigen Gerichts- und Anwaltsvorschüsse sow...