GKG § 47 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
- Die Beschränkung des Berufungsantrages bleibt bei der Streitwertberechnung außer Betracht, wenn offenkundig ist, dass der Antrag des Berufungsklägers nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels und eine Sachentscheidung gerichtet war, sondern allein eine Kostenminimierung bezweckte.
- § 47 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt, kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung.
OLG Köln, Beschl. v. 16.4.2012 – 16 W 28/11
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte zunächst alle in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse angefochten. Sie hat dann die Klageanträge später teilweise zurückgenommen. Das AG hat die verbleibende Klage durch Urteil zum überwiegenden Teil zurückgewiesen und den Streitwert auf 81.753,00 EUR festgesetzt.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin fristwahrend und unbeschränkt Berufung eingelegt. Am 28.2.2011 begründete sie die Berufung mit dem Antrag, das Urteil des AG abzuändern und auszusprechen, dass die beigeladene Verwalterin die Kosten des Rechtsstreits hinsichtlich der zurückgenommenen Klageanträge zu tragen habe. Die Klägerin stellte sich hierbei auf den Standpunkt, dass die Verwalterin das Protokoll über die Eigentümerversammlung nicht binnen der Anfechtungsfrist vorgelegt habe und sie als Klägerin und Miteigentümerin deshalb fristgemäß zunächst die Beschlüsse insgesamt anfechten musste, um mögliche Rechtsnachteile zu vermeiden. Der Berufungsschriftsatz wurde dem LG am 28.2.2011 um 18:44 Uhr zugefaxt. Mit Faxschreiben v. 1.3.2011 um 11:56 Uhr, also einige Stunden später, wurde die eingelegte Berufung sodann zurückgenommen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde daraufhin vom LG ebenfalls auf 81.753,00 EUR festgesetzt.
Gegen die Streitwertfestsetzungen erster und zweiter Instanz legte die Klägerin Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie an, dass sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Rechtsmittelanträgen und damit nicht nach der Beschwer bestimme und zudem hilfsweise geltend gemacht werde, dass der Verkehrswert der Wohnung wegen Mangelhaftigkeit maximal 40.000,00 EUR betrage.
Auf die Streitwertbeschwerden hin wurde der Streitwert antragsgemäß in beiden Instanzen auf 40.000,00 EUR festgesetzt.
Daraufhin legte die Klägerin erneut Streitwertbeschwerde ein, mit der sie eine weitere Herabsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren auf nicht mehr als 900,00 EUR begehrte. Zur Begründung führte sie an, dass die erfolgte Streitwertfestsetzung dem Hilfsantrag entsprach, primär aber eine Festsetzung entsprechend des Begehrens der Rechtsmittelführerin in der Berufungsinstanz verfolgt wurde, nämlich die Kostentragungspflicht der Verwalterin auszusprechen, die sich nach Einschätzung der Klägerin insgesamt auf etwa 680,00 EUR belief.
Die Beklagten beantragten die Zurückweisung der erneuten Streitwertbeschwerde, da der Antrag der Berufungsklägerin offensichtlich nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels gerichtet sei und die willkürlich anmutende erhebliche Einschränkung des Antrags jedenfalls zusammen mit der späteren Rücknahme den sicheren Schluss darauf zulasse, dass bei der Rechtsmittelklägerin kein vernünftiges sachliches Interesse bestehe, das Rechtsmittel wenigstens in dem beschränkten Umfang durchzuführen und sie dies auch schon bei der Antragsbeschränkung nicht wollte.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der nach Beendigung des Berufungsverfahrens festzusetzende Streitwert richtet sich trotz des eingeschränkten Berufungsantrages nach der durch das angefochtene Urteil begründeten Beschwer der Klägerin.
Die Vorschrift des § 47 Abs. 1 S. 1 GKG, wonach sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt, und auf die die Klägerin in der Beschwerdeschrift in erster Linie hinweist, kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Die Beschränkung des Berufungsantrages bleibt bei der Streitwertberechnung außer Betracht, da offenkundig ist, dass der Antrag der Berufungsklägerin nicht auf die Durchführung des Rechtsmittels und eine Sachentscheidung gerichtet, sondern allein eine Kostenminimierung bezweckt war (vgl. BGH NJW-RR 1998, 355; OLG Köln, Beschl. v. 7.1.2011 – 19 U 186/10; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 642). Dieser Schluss ist deshalb gerechtfertigt, weil die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung unzulässig ist (§ 99 Abs. 1 ZPO) bzw. – soweit die Klägerin nur die Kosten hinsichtlich des zurückgenommenen Teils anficht – die sofortige Beschwerde der richtige Rechtsbehelf gewesen wäre (Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 99 Rn 11; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 31. Aufl., § 269 Rn 20a jeweils m.w.N.) und die Klägerin das Rechtsmittel mit dem nur einen Tag nach der Berufungsbegründung gefertigten Schriftsatz zurückgenommen hat.
Mitgeteilt von Rechtsanwältin Dr. Karin Hachenberg-Trompetter, Köln
3 Anmerkung
Der Entscheidung des OLG Köln ist zuzustimmen.
Immer wieder werden Versuche unternommen, durch eine erhebliche Reduzierung des Prozessbegehrens im Berufungsverfahren auf ...