RVG § 48 Abs. 1
Leitsatz
Der beigeordnete Rechtsanwalt kann, wenn Verfahrenskostenhilfe für einen Vergleich auch über nicht rechtshängige Ansprüche bewilligt wurde (hier: Vergleich über sonstige Familiensachen im Gewaltschutzverfahren), insofern nur die Festsetzung einer 1,5-Einigungsgebühr – nicht auch einer Verfahrensgebühr oder einer Termingebühr – verlangen.
OLG Köln, Beschl. v. 1.3.2012 – II-12 WF 29/12
1 Sachverhalt
Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die durch die Rechtspflegerin beim AG vorgenommene Kürzung der Vergütung seines mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten.
Zwischen den Beteiligten des zugrunde liegenden Verfahrens bestand eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Die Antragstellerin begehrte von dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung eine Unterlassungsanordnung nach dem GewSchG. In der Sitzung des AG schlossen die Beteiligten auf Vorschlag des Gerichts eine Vereinbarung über den Verfahrensgegenstand sowie über die (nicht anhängigen) Kreditverbindlichkeiten betreffend einen Ford L., welchen der Antragsgegner während der Zeit des Zusammenlebens der Parteien gekauft hat und welcher nunmehr durch die Antragstellerin genutzt wird. Vor Vergleichsabschluss bewilligte das AG "beiden Parteien ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten auch für den in Aussicht genommenen Vergleich". Später fügte die zuständige Abteilungsrichterin dem Sitzungsprotokoll einen handschriftlichen Vermerk mit dem Inhalt: "VKH auch für Mehrvergleich!" hinzu. Den Gegenstandswert für das Verfahren setzte das Gericht auf 1.500,00 EUR, den Gegenstandswert für den Vergleich einschließlich Mehrvergleich auf 4.500,00 EUR fest.
Auf den Vergütungsantrag des Antragsgegnervertreters hat das AG durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt. Der Festsetzung lag folgende Kostenaufstellung zugrunde:
1,3-Verfahrensgebühr 3100 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
136,50 EUR |
0,8-Verfahrensdifferenzgebühr 3101 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
139,10 EUR |
1,2-Terminsgebühr 3104 VV (Wert: 4.500,00 EUR) |
254,40 EUR |
1,0-Einigungsgebühr 1003 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
105,00 EUR |
1,5-Einigungsgebühr 1000 VV (Wert: 3.000,00 EUR) |
213,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Fahrtkosten |
2,10 EUR |
Abwesenheitsgeld |
5,00 EUR |
Umsatzsteuer |
166,27 EUR |
Summe |
1.041,37 EUR |
Auf die Erinnerung der Staatskasse hat die Rechtspflegerin des AG die zu gewährende Vergütung um 318,32 EUR gekürzt und auf 714,60 EUR festgesetzt. Hierbei ging sie von folgender Berechnung aus:
1,3-Verfahrensgebühr 3100 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
136,50 EUR |
1,2-Terminsgebühr 3104 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
126,00 EUR |
1,5-Einigungsgebühr 1000 VV (Wert: 4.500,00 EUR) |
318,00 EUR |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 |
20,00 EUR |
Fahrtkosten |
2,10 EUR |
Abwesenheitsgeld |
5,00 EUR |
Umsatzsteuer |
115,44 EUR |
Summe |
723,04 EUR |
Die Rechtspflegerin des AG schloss sich der Rechtsauffassung des Bezirksrevisors an, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt für einen Vergleich über nicht rechtshängige Ansprüche die Festsetzung einer 1,5-fachen Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV verlangen kann, nicht jedoch eine Verfahrensdifferenzgebühr oder eine Terminsgebühr nach dem Mehrwert des Vergleichs.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da der Vergütungsanspruch des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gegen die Staatskasse die geltend gemachte Verfahrensdifferenzgebühr und die um den Mehrwert des Vergleichs erhöhte Terminsgebühr nicht umfasst.
Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich gem. § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch welche Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde und die Beiordnung des Rechtsanwalts erfolgte. Das AG bewilligte "beiden Parteien ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten auch für den in Aussicht genommenen Vergleich" und stellte in der Folge klar, dass "VKH auch für den Mehrvergleich" gewährt wurde.
Schon der Wortlaut der Formulierung der Amtsrichterin ("für den in Aussicht genommenen Vergleich") legt nahe, dass die vorausgegangenen Verhandlungen und Erörterungen im Termin von der Bewilligung nicht erfasst werden sollten.
Die Beiordnung "für den Vergleich" oder "für die Vereinbarung" hat – sofern nicht der Sonderfall des Scheidungsverbundverfahrens gem. § 48 Abs. 3 RVG betroffen ist – zur Folge, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt für den Mehrvergleich aus der Staatskasse lediglich die Einigungsgebühr, nicht jedoch die Verfahrensgebühr und die Terminsgebühr zu erstatten ist (OLG Celle FamRZ 2011, 835 f. [= AGS 2011, 551]; OLG Bamberg JurBüro 2009, 592 f. [=AGS 2010, 141], OLG Düsseldorf FamRZ 2009, 714 [= AGS 2009, 337]).
Dem schließt sich der Senat unter Bezugnahme auf die Rspr. des BGH zur Situation im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (BGH, Beschl. v. 8.6.2004 – VI ZB 49/03, NJW 2004, 2595 [= AGS 2004, 349]) an. Der Fall eines...