RVG § 37 RVG VV Nr. 3208
Leitsatz
In Verfassungsbeschwerdeverfahren fällt gem. § 37 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nr. 3206 VV nur eine Verfahrensgebühr mit dem Faktor 1,6 an. Eine Abrechnung nach einer um den Faktor 2,3 erhöhten Gebühr gem. Nr. 3208 VV findet nicht statt.
BVerfG, Beschl. v. 1.10.2012 – 1 BvR 918/10
1 Sachverhalt
Nach erfolgreicher Verfassungsbeschwerde hatte die Beschwerdeführerin die Festsetzung ihrer Anwaltskosten beantragt. Dabei hat sie eine 2,3-Verfahrensgebühr angemeldet. Sie bzw. ihr Bevollmächtigter ist der Auffassung, angesichts der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Verfahrens erscheine es angezeigt, die Verweisung des § 37 Abs. 2 RVG auf die Gebührentatbestände in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV nicht auf die Verfahrensgebühr der Nr. 3206 VV, sondern der Nr. 3208 VV zu beziehen. Nach Nr. 3208 VV sei die Verfahrensgebühr um den Faktor 2,3 zu erhöhen, wenn sich die Beteiligten im Verfahren nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Aufgrund der Bedeutung des BVerfG als oberstes Gericht müsse dies für Verfassungsbeschwerdeverfahren ebenfalls gelten, selbst wenn der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers – wie er selbst – nicht beim BGH zugelassen sei.
Wie sich aus einer Entscheidung des BGH (Beschl. v. 12.8.2004 – I ZB 6/04, JurBüro 2005, 34 f.) ergebe, rechtfertige sich die Erhöhung der Verfahrensgebühr für lediglich beim BGH zugelassene Rechtsanwälte nicht wegen deren Singularzulassung, sondern wegen des mit der Reduzierung der mündlichen Verhandlungen vor dem BGH einhergegangenen regelmäßigen Entfalls der Verhandlungsgebühr in Verfahren vor dem BGH. Diese Erwägung gelte im Verfassungsbeschwerdeverfahren gleichermaßen.
Die Antragsgegnerin ist dem Kostenfestsetzungsantrag mit der Begründung entgegen getreten, gem. § 37 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 3206 VV sei die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren lediglich nach dem Faktor 1,6 zu berechnen. Die erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3208 VV sei alleine für Verfahren vorgesehen, in denen sich die Beteiligten nur durch einen am BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Im Ausgangsverfahren sei jedoch weder eine Vertretung durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich gewesen noch sei eine Vertretung durch einen solchen Rechtsanwalt erfolgt. Die erhöhte Gebühr für beim BGH zugelassene Rechtsanwälte bezwecke einen Ausgleich dafür, dass diese bei keinen anderen Gerichten tätig werden dürften. Dieser Ausgleich sei in Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht erforderlich.
Die Rechtspflegerin hat lediglich eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3206 VV festgesetzt und den Kostenfestsetzungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.
Die dagegen erhobene als sofortige Beschwerde bezeichnete Erinnerung hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Rechtspflegerin hat die Kosten zu Recht nach der Verfahrensgebühr der Nr. 3206 VV angesetzt.
2. Für Verfahren vor dem BVerfG verweist § 37 Abs. 2 S. 1 RVG auf die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 VV für Verfahren insbesondere der Berufung und der Revision (Nr. 3206 ff. VV). Nach Nr. 3206 VV berechnet sich die Verfahrensgebühr in diesen Verfahren grundsätzlich nach dem 1,6-fachen der nach § 13 RVG bestimmten Gebühr.
Eine Abrechnung nach einer um den Faktor 2,3 erhöhten Gebühr gem. Nr. 3208 VV ist dagegen für Verfahren vorgesehen, in denen sich die Beteiligten nur durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen konnten.
a) Da sich Beteiligte in Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht lediglich durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, der Kreis der Vertretungsberechtigten sich vielmehr nach § 22 Abs. 1 BVerfGG bestimmt, wird überwiegend davon ausgegangen, dass sich die Verweisung des § 37 Abs. 2 S. 1 RVG nur auf Nr. 3206 VV und nicht auf Nr. 3208 VV beziehe und damit die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren nach dem Gebührensatz von 1,6 abzurechnen sei (vgl. Jungbauer, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 4. Aufl. 2011, § 37 RVG Rn 19; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl. 2010, § 37 RVG Rn 9; Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl. 2012, § 37 RVG Rn 15; AnwK-RVG/Wahlen, 6. Aufl. 2012, § 37 RVG Rn 16).
b) Zum Teil wird allerdings angenommen, in Verfassungsbeschwerdeverfahren sei der Gebührensatz der Nr. 3208 VV, also der 2,3-fache Wert, anzusetzen. Zwar sei Nr. 3208 VV dem Wortlaut nach nicht auf Verfassungsbeschwerdeverfahren anwendbar, in denen die Beteiligten sich nicht ausschließlich durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Doch rechtfertige die besondere Bedeutung vor dem BVerfG geführter Verfahren, die in § 37 Abs. 2 S. 1 RVG enthaltene Verweisung entgegen dem Wortlaut auf den Gebührensatz der Nr. 3208 VV zu erstrecken (vgl. Hartmann, KostG, 41. Aufl. 2011, § 37 RVG Rn 5; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl. 2006, § 37 RVG Rn 13; ders., in Hartung/Schons/Enders, RVG, 1. Aufl. 2011, § 37 RVG Rn 11 ff.; Schneider, in: Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, 9. Aufl. 2005, § 37 RVG Rn 10).
c) Letzter...