RVG §§ 42, 14

Leitsatz

  1. Bei Unzumutbarkeit der Wahlverteidigergebühren kann dem Verteidiger in Kartellbußgeldverfahren eine Pauschgebühr gewährt werden.
  2. Die Zumutbarkeitsprüfung erfolgt unter Berücksichtigung der in § 14 RVG für die Bemessung der Rahmengebühr maßgeblichen Kriterien, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit. Bußgeldverfahren, die erstinstanzlich vor dem OLG verhandelt werden, sind in der Regel bedeutend.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2012 – III-3 RVGs 11/12

1 Sachverhalt

Der Antragsteller hatte die Nebenbetroffene in einem Kartellbußgeldverfahren als Wahlverteidiger vertreten. In dem Verfahren hatte das Bundeskartellamt eine Geldbuße i.H.v. 18,5 Mio. EUR sowie eine weitere in Höhe von 350.000,00 EUR gem. § 30 OWiG festgesetzt. Tatvorwurf war, dass die damals verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Nebenbetroffenen ab 1999 bis 2002 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Rahmen eines Kartells zur Festsetzung von Maßnahmen zu Prämienerhöhungen in der industriellen Sachversicherung bzw. Transportversicherung beteiligt gewesen seien. Das vorliegende Bußgeldverfahren gegen die Nebenbetroffene ist aus einem Großverfahren abgetrennt worden, welches sich gegen 17 Beteiligte richtete.

Durch Urteil sprach der Kartellsenat die Nebenbetroffene frei. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen wurden der Staatskasse auferlegt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde der Generalstaatsanwaltschaft wurde verworfen.

Der Verteidiger beantragte, die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 EUR festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 EUR zu bewilligen.

Der Senat bewilligte eine Pauschgebühr i.H.v. 2.740,00 EUR und wies den weitergehenden Antrag zurück.

2 Aus den Gründen

Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist im tenorierten Umfang begründet.

Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers errechnen sich wie folgt:

 
Praxis-Beispiel
 
Grundgebühr, Nr. 5100 VV 130,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 5111 VV 300,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 5112 VV i.V.m. Vorbem. 5.1.3 Abs. 1 VV 470,00 EUR
Terminsgebühr, Nr. 5112 VV 470,00 EUR
Summe 1.370,00 EUR

Bei diesen Gebühren handelt es sich jeweils um die Höchstbeträge der Rahmengebühren.

Der Bewilligung der Pauschgebühr von 2.740,00 EUR liegen folgende Berechnungsfaktoren zu Grunde:

Nach § 42 Abs. 1 RVG wird dem gewählten Verteidiger auf Antrag eine Pauschgebühr für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte festgesetzt, wenn aufgrund des besonderen Umfanges oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die in den Teilen 4 bis 6 des VV bestimmten Gebühren eines Wahlanwaltes nicht zumutbar sind.

Die Prüfung der Unzumutbarkeit schließt die Berücksichtigung der weiteren Umstände ein, die nach § 14 RVG bei der Bemessung der Rahmengebühren durch den Verteidiger maßgeblich sind, nämlich die Bedeutung der Angelegenheit, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers und das Haftungsrisiko. Denn nur dann kann beurteilt werden, ob der Höchstbetrag der Rahmengebühr für den Verteidiger nicht zumutbar ist. Eine Pauschgebühr nach § 42 RVG wird vorrangig dann in Betracht kommen, wenn bereits die Bedeutung der Sache für den Betroffenen und/oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers überdurchschnittlich sind sowie zusätzlich ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bzw. eine besondere Schwierigkeit derselben gegeben ist. Insoweit unterscheidet sich die Festsetzung der Pauschgebühr nach § 42 RVG, auch wenn der Gesetzeswortlaut fast identisch ist, wesentlich von der Festsetzung einer Pauschgebühr gem. § 51 RVG.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Nebenbetroffenen, einer Versicherung, sind als überdurchschnittlich einzuschätzen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Betroffene war ebenfalls überdurchschnittlich. Denn es ging um ein Bußgeld von über 18,85 Mio. EUR, das auch in Anbetracht der Bilanzsumme des Unternehmens nicht unbedeutend gewesen sein dürfte. Zudem war der Ruf der Nebenbetroffenen in der Versicherungsbranche durch den negativen Ausgang des Verfahrens gefährdet. Derartige Verfahren erzeugen mediale Aufmerksamkeit in einer breiten Öffentlichkeit, auch bei potentiellen Versicherungsnehmern, die sich dadurch womöglich von dem Abschluss eines Vertrages abschrecken lassen, was wiederum zu Einkommenseinbußen führt. Die Bedeutung der Sache zeigt sich auch darin, dass gem. § 83 GWB erstinstanzlich vor dem OLG verhandelt wurde. Anders als bei den für Strafsachen maßgeblichen Gebührentatbeständen (vgl. Nrn. 4106 ff. VV) findet sich zwar in denen für Bußgeldsachen keine Staffelung nach Gerichtstyp. Doch kann dieser Umstand bei der Bemessung der Gebührenhöhe innerhalb des Rahmens berücksichtigt werden. Bei durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wären deshalb bereits Rahmengebühren des Wahlverteidigers im jeweils obersten Bereich angemessen.

Durch den Senat war damit zu prüfen, ob unter Berücksich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?