Einführung
In Zivil- und Familienstreitsachen kann der Beklagte/Antragsgegner hilfsweise mit einer Gegenforderung aufrechnen, was erhebliche kostenrechtliche Auswirkungen haben kann. Die Aufrechnung kann zu einer Werterhöhung führen, die höhere Anwalts- und Gerichtsgebühren zur Folge hat. Besonderheiten ergeben sich auch für die Haftung der Gerichtskosten. Im Folgenden sollen deshalb die Wirkungen der hilfsweisen Aufrechnung kurz erläutert werden.
I. Eventual- und Primäraufrechnung
Es ist zu unterscheiden zwischen Eventualaufrechnung und Primäraufrechnung.
Bei der Eventualaufrechnung bestreitet der Beklagte bzw. Antragsgegner die Klage-/Antragsforderung. Er rechnet für den Fall, dass seine Verteidigung erfolglos bleibt, hilfsweise mit einer Gegenforderung auf. Diese hilfsweise Aufrechnung führt unter den Voraussetzungen der § 45 Abs. 3 GKG, § 39 Abs. 3 FamGKG zu einer Werterhöhung.
Mit der Primäraufrechnung wird hingegen die Klage-/Antragsforderung nicht bestritten; jedoch trägt der Beklagte bzw. Antragsgegner vor, dass diese Forderung durch eine außergerichtliche Aufrechnung erloschen sei. Möglich ist eine direkte Aufrechnung im Verfahren. Die Primäraufrechnung besitzt keinen Einfluss auf den Wert.
II. Werterhöhung bei Eventualaufrechnung
1. Anzuwendende Regelungen
Liegt eine Eventualaufrechnung vor, ist bei der Ermittlung des Streitwerts § 45 Abs. 3 GKG und für die Berechnung des Verfahrenswerts in Familienstreitsachen (§ 112 FamFG) § 39 Abs. 3 FamGKG zu beachten. Beide Regelungen haben, mit lediglich redaktionellen Abweichungen, denselben Regelungsinhalt.
Eine Werterhöhung tritt danach ein, wenn:
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die Gegenforderung, mit der hilfsweise aufgerechnet wird, bestritten ist, |
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eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Gegenforderung ergeht oder |
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ein Vergleich geschlossen wird, der die Gegenforderung umschließt. |
2. Bestreiten der Gegenforderung
Durch den Kläger bzw. Antragsteller muss das Bestehen der Aufrechnungsforderung bestritten werden. Dabei genügt es, dass ein Bestreiten erst im Verlauf des Verfahrens einsetzt. Wird die Gegenforderung jedoch überhaupt nicht bestritten, erfolgt keine Werterhöhung nach § 45 Abs. 3 GKG bzw. § 39 Abs. 3 FamGKG.
3. Rechtskraftfähige Entscheidung
Der Wert erhöht sich nur, soweit über die Gegenforderung "eine der Rechtskraft fähige Entscheidung" ergeht. Hierfür ist § 322 Abs. 2 ZPO zu beachten, der wegen § 113 Abs. 1 FamFG auch für die Familienstreitsachen gilt.
Danach ist die Entscheidung des Gerichts, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zu der Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht wurde, der Rechtskraft fähig. Die Aufrechnungsforderung unterliegt der Rechtskraft jedoch nur bis zur Höhe der Klageforderung. Das Gericht muss sich in der Entscheidung inhaltlich mit der Gegenforderung befasst haben. Die Feststellungen des Gerichts über die Gegenforderung trifft es in seiner Entscheidungsbegründung, die deshalb genau zu prüfen ist.
Eine rechtskraftfähige Entscheidung liegt insbesondere vor, wenn:
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das Gericht die Aufrechnungsforderung für unbegründet erklärt, |
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in der gerichtlichen Entscheidung festgestellt wird, dass die Gegenforderung bestanden hat, aber durch die Aufrechnung erloschen ist, |
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Zurückweisung erfolgt, weil die hilfsweise Aufrechnung zu spät vorgetragen wurde, |
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das Gericht die Gegenforderung als unschlüssig und unbegründet behandelt, weil sie nicht hinreichend substantiiert ist. |
Hingegen liegt keine rechtskraftfähige Entscheidung vor, wenn:
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ein Aufrechnungsverbot besteht, |
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die Klage abgewiesen wird, ohne dass das Gericht auf die Gegenforderung eingeht, |
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die Klage zurückgenommen wird, bevor über die Gegenforderung entschieden ist, |
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gegen den Beklagten Versäumnisurteil ergeht. |
§ 45 Abs. 3 GKG, § 39 Abs. 3 FamGKG verlangen nur den Erlass einer rechtskraftfähigen Entscheidung, so dass auf den Eintritt der Rechtskraft oder der Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 FamFG nicht abzustellen ist. Ist die Werterhöhung wegen Erlass der Entscheidung eingetreten, entfällt sie auch nicht dadurch nachträglich, dass die Entscheidung durch Klage bzw. Antrag wirkungslos geworden ist (§ 269 Abs. 3 ZPO gegebenenfalls i.V.m. § 113 Abs. 1 FamFG).
4. Vergleich
Die Werterhöhung tritt auch ein, wenn über die Gegenforderung ein Vergleich geschlossen wird (§ 45 Abs. 4 GKG, § 39 Abs. 4 FamGKG); vgl. hierzu IV.1.
III. Berechnung des Streit- und Verfahrenswerts
1. Begrenzung auf Wert der Klageforderung
Liegen die Voraussetzungen der § 45 Abs. 3 GKG, § 39 Abs. 3 FamGKG vor, erhöht sich der Streit- bzw. Verfahrenswert um den Wert der Gegenforderung, jedoch begrenzt auf die Höhe der begründeten Klage-/Antragsforderung. Diese Beschränkung gilt auch dann, wenn der Wert der Gegenforderung den Wert der begründeten Klage-/Antragsforderung übersteigt.
Die nach § 45 Abs. 3 GKG, § 39 Abs. 3 FamGKG eingetretene Werterhöhung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, in dem die Aufrechnung erstmals in dem Verfahren geltend gemacht ...