RVG VV Nr. 4141
Leitsatz
- Die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV erhält der Verteidiger im Falle der Nichteröffnung des Hauptverfahrens nur, wenn der Nichteröffnungsbeschluss rechtskräftig wird. Die Gebühr entsteht nicht, wenn der Nichteröffnungsbeschluss im Wege der Beschwerde aufgehoben wird.
- Die Aktenversendungspauschale gehört zwar zu den im Falle eines Freispruchs zu erstattenden Kosten; Voraussetzung ist jedoch die Vorlage eines entsprechenden Zahlungsnachweises; die Vorlage einer bloßen Gerichtskostenrechnung reicht nicht aus.
LG Potsdam, Beschl. v. 20.4.2012 – 24 Qs 64/11
1 Sachverhalt
Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft wurde dem Angeklagten eine Urkundenfälschung gem. § 267 Abs. 1 StGB, ein versuchter Betrug gem. §§ 263, 22, 23 Abs. 1 StGB sowie eine falsche Versicherung an Eides statt gem. § 156 StGB zur Last gelegt.
Der Verteidiger des Angeklagten nahm umfassend zu den Anklagevorwürfen Stellung.
Durch Beschluss des AG wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt.
Gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnenden Beschluss hat die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde eingelegt. Daraufhin hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben, die Anklage der Staatsanwaltschaft zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem AG eröffnet.
Am Ende der daraufhin durchgeführten Hauptverhandlung wurde der Angeklagte freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Daraufhin beantragte der Verteidiger, folgende Kosten gegen die Staatskasse festzusetzen:
Grundgebühr, Nr. 4100 VV |
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250,00 EUR |
Verfahrensgebühr für vorbereitendes Verfahren, Nr. 4104 VV |
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125,00 EUR |
Verfahrensgebühr erster Rechtszug, Nr. 4106 VV |
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200,00 EUR |
Zusätzliche Gebühr für Beschluss nach § 204 Abs. 1 StPO, Nr. 4141 VV |
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200,00 EUR |
Terminsgebühr Hauptverhandlung, Nr. 4108 VV |
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375,00 EUR |
Post-/Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV |
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29,82 EUR |
Abwesenheitsgeld, Nr. 7005 VV |
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20,00 EUR |
Zwischensumme netto |
1.219,82 EUR |
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19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV |
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231,77 EUR |
zuzüglich Auslagen für Aktenübersendung |
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12,00 EUR |
Gesamtbetrag |
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1.463,59 EUR |
Durch Beschluss des AG wurden sodann die aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 1.213,59 EUR festgesetzt. Abgesetzt wurde die beantragte Gebühr Nr. 4141 VV, ferner die beantragte Aktenversendungspauschale.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG legte der Verteidiger für den Angeklagten sofortige Beschwerde ein, die jedoch keinen Erfolg hatte.
2 Aus den Gründen
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, denn der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken.
Sowohl die Absetzung der beantragten Gebühr Nr. 4141 VV als auch die der geltend gemachten Aktenversendungspauschale erfolgten im Ergebnis zu Recht.
a) Nach Anm. Abs. 1 Nr. 2 der Nr. 4141 VV entsteht eine zusätzliche Verfahrensgebühr auch dann, wenn das Gericht gem. § 204 Abs. 1 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt. Die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV dient der Abgeltung der Tätigkeit des Rechtsanwaltes, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung führt (vgl. Riedel/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1, Rn 108). Sie übernimmt den Grundgedanken der Regelung in § 84 Abs. 2 BRAGO. Diese war geschaffen worden, um zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zur Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich zu honorieren (vgl. BT-Drucks 12/6962, S. 106).
Der erfolgreichen Geltendmachung dieser Gebühr steht hier entgegen, dass die Hauptverhandlung letztlich nicht vermieden, sondern nach dem erfolgreichen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens durchgeführt worden ist. Dementsprechend hat der Verteidiger auch Anspruch auf die Hauptverhandlungsgebühr, die ihm bereits zuerkannt worden ist.
Aus dem Hinweis der Verteidigung auf Hartmann, KostG, 41. Aufl., VV 4141 Rn 5, ergibt sich nicht, dass die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV auch dann beansprucht werden kann, wenn die Hauptverhandlung doch noch durchgeführt wird. Die zitierte Kommentierung besagt lediglich, dass die Gebühr mit der Bekanntmachung des Ablehnungsbeschlusses nach § 204 Abs. 2 StPO oder doch mit seinem Herausgehen aus dem inneren Geschäftsbetrieb, als auch mit seiner z.B. telefonischen Mitteilung an den Verteidiger, entsteht. Sie besagt ferner, dass es nicht auf die Unanfechtbarkeit oder Rechtskraft des Nichteröffnungsbeschlusses ankommt. Aus dem oben dargelegten Gesetzeszweck ergibt sich aber bereits, dass der Gebührenanspruch nach Nr. 4141 VV dann wieder wegfällt, wenn die Hauptverhandlung doch noch durchgeführt wird und der Verteidiger letztlich nicht den Verlust der Hauptverhandlungsgebühr erleidet, den die Vorschrift der Anm. 1 Nr. 2 der Nr. 4141 VV gerade ausgleichen soll (vgl. auch das instruktive Beispiel 2 bei Burhoff, R...