Leitsatz

Getrennt lebende Eltern stritten um die elterliche Sorge für ihre im Juli 2000 und Mai 2002 geborenen gemeinsamen Kinder. Das AG hatte es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge belassen. Die hiergegen von der Kindesmutter eingelegte Beschwerde führte zur Aufhebung der gemeinsamen Sorge und zur Übertragung des Sorgerechts auf sie.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Nach Auffassung des OLG konnte es angesichts des erheblichen Konfliktpotentials zwischen den Eltern insbesondere und gerade auch in den Belangen der gemeinsamen Kinder bei dem bislang bestehenden gemeinsamen Sorgerecht nicht verbleiben.

Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge sei grundsätzlich eine auch nach der Trennung fortbestehende Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern zur Kooperation in den das gemeinsame Kind betreffenden Belangen, setze also insoweit eine tragfähige und soziale Beziehung auf der Elternebene zwischen ihnen voraus.

Danach fehlte es nach Auffassung des OLG im vorliegenden Fall. Eine solche Beziehung bestehe zwischen den Eltern nicht mehr. In den soweit überzeugenden Feststellungen des in erster Instanz erstatteten Gutachtens der Sachverständigen seien sie vielmehr gegenwärtig nicht in der Lage, die aus der Paardynamik und dem Trennungsprozess resultierenden Konflikte konstruktiv anzugehen und eine Elternebene (wieder) herzustellen, in der lösungsorientiert miteinander umgegangen werden könne. Dies hindere daran, in den Belangen der gemeinsamen Kinder sinnvoll miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren. Die Kooperationsfähigkeit des Antragsgegners sei durch eine hochgradig widersprüchliche Haltung, einerseits kooperieren zu wollen, andererseits bei Divergenzen den Prozess der Entscheidungsfindung zu umgehen und allein zu entscheiden, eingeschränkt. Dies äußere sich in diktatorisch anmutenden, egozentrischen und wenig partnerschaftlichen Verhaltensweisen, denen die Antragstellerin wenig entgegenzusetzen habe und auf die sie mit Rückzug und Vermeidungsstrategien reagiere. Nach der Einschätzung der Sachverständigen könne unter diesen Umständen eine Elternkooperation erst dann gelingen, wenn die grundlegende Konfliktdynamik (ein Machtkampf auf Paarebene) von den Eltern reflektiert und Dritte nicht mehr als "Bündnispartner" instrumentalisiert würden, sondern als konstruktiver Beistand. Hiervon seien jedoch beide Eltern derzeit weit entfernt.

Bei dieser Sachlage könne das gemeinsame Sorgerecht keinen Bestand haben, zumal sich der Elternkonflikt zunehmend nachteilig auf das Kindeswohl auswirke, weil die Kinder in die Auseinandersetzungen einbezogen würden. Es sei vielmehr die elterliche Sorge auf einen der beiden Elternteile alleine zu übertragen. Nach der Überzeugung des OLG diente es dem Kindeswohl am Besten, die elterliche Sorge auf die Mutter zu übertragen.

Ausschlaggebend für das OLG war der Gesichtspunkt, dass der Dominanz des Antragsgegners in der Elternbeziehung ein rechtliches Gegengewicht gegenübergestellt werden müsse durch die Stärkung der Position der Antragstellerin im Elternkonflikt. Jede andere Entscheidung würde angesichts der Persönlichkeitsstruktur des Antragsgegners perspektivisch dazu führen, dass die Antragstellerin von allen die Belange der Kinder betreffenden Entscheidungen faktisch ausgegrenzt würde.

 

Hinweis

Die von dem Kindesvater gegen den Beschluss des OLG eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Das BVerfG sah in der Sorgerechtsentscheidung des OLG Brandenburg zugunsten der Mutter eine Verletzung des Vaters in seinem von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht. Der angegriffene Beschluss wurde aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Die Entscheidung des BVerfG ist veröffentlicht in FamRB 2009, 341 - 342.

 

Link zur Entscheidung

Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 02.06.2008, 15 UF 95/07

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