1 Leitsatz
Wenn die Wohnungseigentümer vor dem 1.12.2020 ausdrücklich eine vom bis zum 30.11.2020 geltenden Wohnungseigentumsgesetz abweichende Regelung vereinbart haben, spricht dies für einen „Versteinerungswillen„.
2 Normenkette
§ 47 WEG
3 Das Problem
Nach der Gemeinschaftsordnung obliegt die Instandhaltung und Instandsetzung der zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörenden Geschossdecke zwischen Dachgeschoss und Spitzboden sowie der Dach- und der Konstruktion eines jeden Hauses dem jeweiligen Wohnungseigentümer. Ferner heißt es in der Gemeinschaftsordnung, die einzelnen Wohnungseigentumsrechte seien so weit wie möglich als "rechtlich und wirtschaftlich selbständige Einheiten" zu behandeln, weshalb die Verwaltungs- und Kostenregelung für die gesamte gemeinschaftliche Bausubstanz im räumlichen Bereich eines jeden Sondereigentums innerhalb des Wohngebäudes gelte. Fraglich ist, ob § 47 WEG heute etwas Anderes bestimmt.
4 Die Entscheidung
Das LG verneint die Frage! Im Fall sei ein Wille der Wohnungseigentümer zu erkennen, dass die Altvereinbarung weiter anwendbar sein soll. Maßgebend für einen solchen "Versteinerungswillen" sei der Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergebe. Umstände außerhalb der Eintragung dürften nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann erkennbar seien. Im Fall sei erkennbar, dass ein solcher Wille gegeben sei. Denn die Wohnungseigentümer hätten ausdrücklich eine vom damaligen WEG abweichende Regelung vereinbart. Das bewusste Abwenden von den Zuständigkeiten und damit verbunden der Kostenregelung, spreche eindeutig für einen i. S. v. § 47 WEG entgegenstehenden Willen. Im Übrigen sei die Kammer der Auffassung, dass § 47 WEG allein auf solche Vereinbarungen anwendbar sei, die den Wortlaut des bei ihrer Errichtung geltenden WEG wiederholten.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall ist zu klären, ob eine Vereinbarung, die vor dem 1.12.2020 Verwaltungs- und Kostenregelungen abweichend von §§ 18 Abs. 1, 16 Abs. 2 Satz 1 WEG bestimmt hat, nach dem 30.11.2020 noch anwendbar ist. Das LG bejaht die Frage, weil es meint, nach einer Auslegung sei zu erkennen, dass die Umlagevereinbarung bzw. Verwaltungsvereinbarung weiterhin anwendbar sein soll. Dem ist offensichtlich zuzustimmen. Es wäre widersinnig, sollten die Wohnungseigentümer in ihrer Gesamtheit nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG für die Kosten für die Erhaltung von Bauteilen einstehen müssen, die sich im Bereich des Sondereigentums befinden.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss wissen, welche Bestimmungen der Gemeinschaftsordnung seit dem 1.12.2020 anwendbar sind und welche nicht. Insoweit ist die Entwicklung der Rechtsprechung weiter abzuwarten. Das LG setzt aber eine Duftmarke, wenn es meint, § 47 WEG erfasse nur solche Vereinbarungen, die das Gesetz, dass bei ihrer Entstehung galt, wiederholt haben.
6 Entscheidung
LG Lüneburg, Beschluss v. 31.1.2023, 3 S 29/22