Leitsatz
Dem Veräußerer eines Grundstücks stehen Schadensersatzansprüche gegen den Staat auf Ersatz von Zinsschäden und entgangene Nutzungsmöglichkeiten (wie Mieterträge) zu, wenn der Verkauf deshalb nicht durchgeführt werden kann, weil das Grundbuchamt wegen personeller Fehlplanung derart überlastet ist, dass die Auflassungsvormerkung nur mit erheblicher Verzögerung eingetragen wird.
Fakten:
Ein Bauträger hatte auf seinem Grundstück 45 Ferienwohnungen errichtet und bereits verkauft. Die Kaufpreiszahlungen sollten erfolgen, sobald zugunsten der Käufer Vormerkungen im Grundbuch zur Sicherung ihrer Ansprüche auf Eigentumsübertragung eingetragen waren.
Der hierfür zuständige Rechtspfleger des Amtsgerichts war jedoch überlastet und trug die Vormerkungen deswegen erst nach einem Jahr und acht Monaten ein. In dieser Zeit fiel der Bauträger aufgrund der ausbleibenden Kaufpreiszahlungen in die Insolvenz. Daher verklagte die Sparkasse, an die der Bauträger seine Ansprüche abgetreten hatte, das zuständige Bundesland auf Schadensersatz. Mit der Klage machte die Sparkasse unter anderem Zinsschäden geltend, die dem Bauträger nach einer dem Grundbuchamt eingeräumten Bearbeitungszeit von acht Monaten entstanden waren.
Der BGH gab der Sparkasse (und damit auch dem Bauträger) recht. Jede Behörde habe die Amtspflicht, Anträge mit der gebotenen Beschleunigung zu bearbeiten. Sei dies wegen Überlastung des zuständigen Beamten nicht gewährleistet, so hätten nicht nur die zuständige Behörde (Amtsgericht), sondern auch die übergeordneten Stellen (Landgericht, Oberlandesgericht, Justizministerien) im Rahmen ihrer Möglichkeiten Abhilfe zu schaffen. Tun sie das nicht, so stehen dem geschädigten Bürger Ersatzansprüche zu.
Im vorliegenden Fall bestätigte der BGH dem Grunde nach den von der Vorinstanz bejahten Amtshaftungsanspruch. Danach haftete der Staat für den Zinsschaden, der dem Bauträger dadurch entstanden war, dass er den Kredit der Sparkasse nicht zurückführen konnte. Denn durch die Verzögerung der Eintragung der Vormerkung blieben die Kaufpreiszahlungen aus. Ferner bejahte der BGH einen Anspruch auf Entschädigung dafür, dass dem Bauträger die Möglichkeit genommen war, das an die Stelle des Grundstücks tretende Kapital zu nutzen. Diesen Kapitalnutzungswert orientierte der BGH an der Bodenrente, also "an dem Betrag, den ein potenzieller Nutzer für die Erlaubnis zeitweiliger Nutzung bezahlt haben würde (Miet-, Pacht- oder Erbbauzins)".
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 11.01.2007, III ZR 302/05
Fazit:
Nach diesem Urteil ist der Bürger dem Grundbuchamt nicht mehr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, sondern kann bei überlanger Dauer des Grundbuchverfahrens seine Schäden bei dem zuständigen Bundesland liquidieren. Eine überlange Dauer sei danach jedenfalls bei einer Verzögerung um mehr als acht Monate gegeben. Zugleich billigte das Gericht dem klagenden Bürger eine Beweiserleichterung zu: Weil die personelle Ausstattung ein behördeninterner Vorgang sei, müsse das Bundesland vor Gericht darlegen, welche Schritte es zur Entspannung der Situation unternommen hat.