Leitsatz
Die Parteien hatten am 18.4.1980 vor dem Türkischen Generalkonsulat in Frankfurt am Main die Ehe miteinander geschlossen. Der Antragsteller war vormals türkischer und seit dem 17.4.2002 deutscher Staatsangehöriger. Die Antragsgegnerin war türkische Staatsangehörige. Der Antragsteller begehrte die Scheidung der Ehe nach Maßgabe des türkischen Rechts bei einem hiesigen Familiengericht. Die Antragsgegnerin machte u.a. die Folgesache Güterrecht im Wege der Stufenklage anhängig.
Parallel dazu schwebte in der Türkei ein Rechtsstreit, der eine "Entschädigungsklage" der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller bezüglich der in der Ehezeit gemeinsam erworbenen Güter zum Gegenstand hatte.
Der Prozesskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht wurde unter Hinweis auf die von ihr schon vor dem türkischen Gericht verfolgten "güterrechtlichen Ansprüche" zurückgewiesen.
Ihre hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde war in der Sache erfolgreich.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das AG habe zu Unrecht die Zulässigkeit der zur Folgesache Güterrecht erhobenen Klage der Antragsgegnerin verneint. Das Prozesshindernis der anderweitigen (ausländischen) Rechtshängigkeit der Streitsache i.S.d. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO liege nicht vor.
Eine zeitlich früher eingetretene Rechtshängigkeit der Streitsache im Ausland hindere das inländische Verfahren nur dann, wenn Identität des Streitgegenstandes vorliege und mit der Anerkennung der vom ausländischen Gericht zu treffenden Entscheidung zu rechnen sei (vgl. BGH v. 10.10.1985 - I ZR 1/83, NJW 1986, 2195; 2001, 524 [525]; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl. 2001, Rz. 2685 ff.).
Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben.
Das Verfahren in der Türkei sei nicht mehr rechtshängig. Aus den Berichten der türkischen Gerichte über den Verlauf und den Stand des Verfahrens, die auch dem AG bereits vorgelegen hätten, ergebe sich, dass die von der Antragsgegnerin erhobene Entschädigungsklage durch rechtskräftigen Beschluss als nicht erhoben angenommen worden sei. Die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Verfahrens sei nach den insofern maßgebenden Vorschriften des türkischen Verfahrensrechts ersichtlich beendet gewesen. Obgleich die Antragsgegnerin in der Türkei eine neue Klage erhoben hatte, sei die inländische Klage jedenfalls zeitlich früher als die in der Türkei erhoben worden.
Im Übrigen sei auch nicht zu erwarten, dass eine etwaige Entscheidung der türkischen Gerichte über eine güterrechtliche Ausgleichsklage der Antragsgegnerin für das Inland Anerkennung finden könne. Das AG sei als Gericht der Ehesache auch für die Folgesache Güterrecht aus deutscher Sicht international zuständig; das türkische Verfahrensrecht komme im Übrigen zu keinem anderen Ergebnis.
Im Übrigen liege auch keine Identität des Streitgegenstandes der inländischen und der ausländischen Streitsache vor.
Das Klagebegehren der Antragsgegnerin verspreche hinreichende Aussicht auf Erfolg, so dass ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren sei.
Link zur Entscheidung
OLG Koblenz, Beschluss vom 19.10.2005, 11 WF 498/05