A. Internationales Erbrecht
Rz. 1
Da das Fürstentum Andorra nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, ist dort die Europäische Erbrechtsverordnung nicht in Kraft getreten.
Rz. 2
Traditionell unterstellte das Internationale Privatrecht von Andorra die Erbfolge dem Heimatrecht des Verstorbenen.
Rz. 3
Das Gesetz über die Erbfolge vom 18.12.2014 wurde im ersten Teil der Zusatzbestimmungen über das internationale Erbrecht in Andorra kodifiziert. Gem. Art. 2 der Zusatzbestimmungen unterliegt die Erbfolge des gesamten Nachlasses dem Personalstatut des Erblassers. Letzteres wiederum bestimmt sich nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Ein anderes Recht kommt allenfalls ausnahmsweise dann zur Anwendung, wenn sich aus den gesamten Umständen des Einzelfalls eindeutig ergibt, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes eine erheblich engere Beziehung zu einem anderen Staat als seinem Heimatstaat besaß. Damit gilt auf jeden Fall Nachlasseinheit.
Rz. 4
Das Haager Testamentsformübereinkommen gilt in Andorra nicht. Das Kollisionsrecht der Formwirksamkeit ist im Erbgesetz nur rudimentär geregelt. So können gem. Art. 3 Abs. 1 der Zusatzbestimmungen Andorraner im Ausland ein Testament in Übereinstimmung mit dem Recht des Landes, in dem sie sich aufhalten, errichten, ein eigenhändiges Testament auch dann, wenn die Gesetzgebung des fremden Landes dies nicht zulässt, aber nicht ein gemeinsames Testament, auch wenn diese nach dem ausländischen Recht zulässig wäre.
Rz. 5
Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Renvoi eines ausländischen Heimatrechts zu beachten ist, ist in Andorra nicht gesetzlich geregelt. Unabhängig davon würde sich aber aus deutscher Perspektive jedenfalls für einen deutschen Erblasser, der mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Andorra verstorben ist, aus dem andorranischen IPR eine Rückverweisung auf das deutsche Heimatrecht ergeben, Art. 34 Abs. 1 EUErbVO.
B. Gesetzliche Erbfolge
Rz. 6
Das materielle Erbrecht ist im Erbrechtsgesetz von Andorra geregelt (siehe Rdn 3).
Rz. 7
Gesetzliche Erben erster Ordnung sind gem. Art. 247 ErbG die Kinder des Erblassers. Bei Vorversterben treten seine Abkömmlinge in die Erbfolge ein. Schlägt eines der Kinder die Erbfolge aus, so wächst sein Anteil den übrigen Kindern zu.
Rz. 8
Der überlebende Ehegatte erbt gem. Art. 249 ErbG neben Abkömmlingen nicht als Erbe, sondern erhält den Nießbrauch an 50 % des Nachlasses. Hat der Erblasser keine Kinder oder weitere Abkömmlinge hinterlassen, so wird der Ehegatte gesetzlicher Alleinerbe Art. 249 Abs. 3 ErbG (zweite Ordnung). Wahlweise steht ihm die Quart der armen Witwe (dazu Art. 288 ff. ErbG) zu, sollte das Nießbrauchsrecht des Ehegatten damit nicht vereinbar sein. Auch kann der überlebende Ehegatte mit dem oder den Erben vereinbaren, dass der Nießbrauch in eine quotale Beteiligung am Nachlass umgewandelt wird (Umsetzungsrecht nach Art. 251 ErbG).
Rz. 9
Das Erbrecht des Ehegatten entfällt, wenn die Eheleute zum Zeitpunkt des Erbfalls gerichtlich oder tatsächlich getrennt lebten. War eine Scheidungsklage anhängig, so können die Erben diese fortsetzen und beantragen, dass der Verlust des Erbrechts im Urteil festgestellt wird.
Dem nichtehelichen Lebensgefährten des Erblassers (el convivent en unió estable) steht das gleiche Recht zu, wie dem überlebenden Ehegatten zu.
Rz. 10
Hinterlässt der Erblasser weder Abkömmlingen noch einen Ehegatten oder einen nichtehelichen Lebensgefährten, so sind in dritter Ordnung die Eltern zur Erbfolge berufen. Diese erben jeweils zur Hälfte. Hinterlässt der Erblasser nur einen Elternteil, so fällt das dem vorverstorbenen Elternteil gebührende Viertel dem überlebenden Elternteil zu. Hinterlässt der Erblasser keine Eltern, so erben die weiteren Vorfahren, Art. 254 ErbG. Erst dann, wenn weder Abkömmlinge noch Vorfahren überleben, gelangen die Geschwister zur Erbfolge.
Rz. 11
Bei der dritten Ordnung sind die sogenannten Rückfallrechte zu beachten. Hat der Erblasser durch Schenkung unter Lebenden Vermögen erhalten, so kehrt dieses in den Zweig der Familie zurück, aus dem es stammt.
C. Testamentarische Erbfolge
Rz. 12
Das Testament kann eigenhändig (testament hològraf, Art. 106 ErbG) und in notariell beurkundeter Form als öffentliches Testament (testament notarial, Art. 98 ErbG) errichtet werden. Das Testament ist gem. Art. 110 ErbG unwirksam, wenn es keine Erbeinsetzung enthält und keinen Testamentsvollstrecker ernennt (marmessor).
Rz. 13
Gem. Art. 68 ff. ErbG kann der Erblasser auch durch Erbvertrag verfügen. Der Abschluss eines Erbvertrags ist ausschließlich zwischen Ehegatten bzw. Verlobten, zwischen Eltern und ihren Kindern bzw. weiter entfernten Abkömmlingen sowie zwischen Eltern und den Kindern und Abkömmlingen des jeweils anderen Ehegatten gestattet.
Durch Erbvertrag können sämtliche Verfügungen getroffen werden, die auch im Testament angeordnet werden können. Des Weiteren kann in den gesetzlich vorgesehenen Fällen durch Erbvertrag...