RVG § 15 Abs. 2 § 10 Nr. 10 a); VV RVG Nr. 4141; StPO § 170 Abs. 2 § 171 Abs. 1 § 210 Abs. 2
Leitsatz
1. Die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG entsteht auch dann und fällt nachträglich auch nicht wieder weg, wenn das Verfahren nach einer Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO aufgrund einer Beschwerde des Anzeigenerstatters später fortgeführt wird.
2. Dies gilt ebenso, wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens gem. § 210 Abs. 2 StPO abgelehnt worden ist.
3. Für den Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG kommt es auch nicht darauf an, ob tatsächlich keine Hauptverhandlung stattgefunden hat. Entscheidend ist insoweit allein, dass alle Beteiligten zum Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens davon ausgehen, dass eine Hauptverhandlung nicht stattfinden wird, auch wenn diese dann später doch noch durchgeführt wird.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2017 – 2 Ws 673/17
Sachverhalt
Aufgrund einer Strafanzeige v. 4.6.2013 hat die Staatsanwaltschaft (StA) Köln mit Verfügung v. 26.6.2013 das Ermittlungsverfahren gegen die Angekl. eingeleitet. Unter dem 30.7.2013 hat sich Rechtsanwalt U zum Verteidiger der Angekl. bestellt. Mit Schriftsatz v. 21.8.2013 hat Rechtsanwalt U zu dem Verfahrensstand Stellung genommen und dessen Einstellung gefordert. Mit Verfügung v. 27.8.2013 hat die StA das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Nach fristgerecht eingelegter Beschwerde des Anzeigenerstatters wurde das Ermittlungsverfahren mit Verfügung v. 5.11.2014 wieder aufgenommen.
Hieraufhin hat die StA Köln unter dem 16.6.2015 Anklage zum AG Köln erhoben. Der Strafrichter hat die Eröffnung des Verfahrens mit Beschl. v. 30.9.2015 aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat die Kammer die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit rechtskräftig gewordenem Urt. v. 18.12.2015 hat das AG die Angekl. freigesprochen.
Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Verteidiger der Angekl. unter anderem sowohl für das Ermittlungsverfahren, als auch für das erst- und das zweitinstanzliche Verfahren die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Auf Anregung der Bezirksrevisorin hat das AG die drei geltend gemachten Gebühren Nr. 4141 VV RVG durch Beschl. v. 28.2.2017 zunächst abgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung hat der Strafrichter mit Beschl. v. 11.4.2017 die zusätzliche Verfahrensgebühr nach Nr. 4141 VV RVG für das Ermittlungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren festgesetzt. Die gegen diesen Beschl. gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das LG Köln durch Beschl. v. 25.8.2017 als unbegründet zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen. Die von der Bezirksrevisorin unter dem 4.9.2017 eingelegte weitere Beschwerde hatte beim OLG Köln keinen Erfolg
2 Aus den Gründen:
[9] "… II. Die weitere Beschwerde ist zulässig, da sie von der erkennenden Kammer ausdrücklich zugelassen wurde, sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. …"
[11] Ebenso war dem Verteidiger der Angekl. eine Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG sowohl für das Ermittlungs- als auch für das Verfahren erster Instanz zuzusprechen. Diesbezüglich hat die erkennende Kammer des LG Köln wie folgt ausgeführt:
[12] “Auch bezüglich der Gebühr Nr. 4141 VV RVG hat das AG zurecht entschieden, dass diese – zweifach – zu erstatten ist. …
[14] 1. Im Ausgangspunkt ist der Auffassung der Bezirksrevisorin zuzustimmen, dass die in Streit stehende “Befriedungsgebühr‘ den Zweck verfolge, Hauptverhandlungen zu verhindern (vgl. BGH zfs 2011, 524 m. Anm. Hansens = Burhoff, RVGreport 2011, 384 = AGS 2011, 419; Fischer NJW 2012, 265). Nicht gefolgt werden kann jedoch der Ansicht, dass die Gebühr nur dann zum Tragen kommen könne, wenn dieses Ziel auch erreicht wird. Eine solche Auslegung von Nr. 4141 VV RVG ist mit der Entstehungsgeschichte der Norm nicht vereinbar. Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG ist Nachfolgevorschrift des § 84 BRAGO. Bereits in dieser Vorschrift wurde – ebenso wie in der jetzigen Regelung – das Entstehen der Gebühr davon abhängig gemacht, dass das Verfahren “nicht nur vorläufig‘ eingestellt wird. In der Gesetzesbegründung zu § 84 BRAGO ist ausgeführt, dass mit dieser Regelung “Fälle der Verfahrenseinstellung mit dem Ziel der Endgültigkeit der Einstellung erfasst werden‘ (BT-Drucks 12/6962, S. 106) sollen. Das Tatbestandsmerkmal “nicht nur vorläufig‘ werde verwendet, “weil in zahlreichen Fällen unter bestimmten Voraussetzungen auch nach derartigen Einstellungen das Verfahren wieder aufgenommen werden kann‘ (a.a.O). Dass hieran durch die Neufassung der Nr. 4141 VV RVG etwas geändert werden sollte, lässt sich weder dem insoweit unverändert gebliebenen Wortlaut der Norm noch der von der Beschwerdeführerin in Bezug genommenen Gesetzesbegründung entnehmen. Dementsprechend wird auch von der h.M. in Rspr. und Literatur die Gebühr bereits dann zugebilligt, wenn StA und/oder Gericht subjektiv von einer endgülti...