Leitsatz
In dem vom BGH zu entscheidenden Fall beantragte ein in Frankreich lebender französischer Staatsangehöriger bei dem am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes zuständigen Gericht, dem AG Tempelhof-Kreuzberg in Berlin, gemäß Art. 15 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2 Buchst. a der Brüssel IIa-VO die Verweisung des Verfahrens wegen Aussetzung des Umgangsrechts durch die Mutter an das zuständige französische Gericht. Das AG entschied antragsgemäß. Die Beschwerde der Mutter führte zur Aufhebung des Beschlusses des erstinstanzlichen Gerichts durch das KG. Die Rechtsbeschwerde des Vaters wurde mangels Statthaftigkeit abgelehnt.
Sachverhalt
Eltern mit französischer Staatsangehörigkeit lebten voneinander getrennt. Das gemeinsame Kind lebte mit der Mutter in Berlin, der Vater in Paris. Beide waren gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge. Im Rahmen des in Frankreich durchgeführten Ehescheidungsverfahrens regelten die Eltern das Umgangsrecht in der Weise, dass das Kind während der Schulferien seinen Vater an dessen Wohnsitz in Paris besuchen durfte. Als im Rahmen des Umgangsrechts Probleme zwischen Vater und Kind auftraten, beantragte die Mutter bei dem für den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zuständigen AG Tempelhof-Kreuzberg in Berlin die Aussetzung des Umgangsrechts. Hierauf beantragte der Vater, das FamG in Paris darum zu ersuchen, sich nach Art. 15 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. a der Brüssel IIa-VO für zuständig zu erklären. Sein Antrag wurde durch einen entsprechenden Antrag des Pariser Gerichts unterstützt. Das AG Tempelhof-Kreuzberg übertrug das Verfahren antragsgemäß auf das Pariser FamG. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Mutter hob das KG den Beschluss des AG unter Zurückweisung der Anträge des Vaters wieder auf. Hiergegen legte der Vater Rechtsbeschwerde zum BGH ein mit dem Ziel, weiterhin die Verweisung des Verfahrens an das Pariser FamG zu erreichen.
Entscheidung
Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des Vaters mit der Begründung verworfen, sie sei nicht statthaft.
Dies folge zum einen daraus, dass es keine ausdrückliche Bestimmung i.S.d. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebe, die die Rechtsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen der OLG über Zuständigkeitsentscheidungen der Familiengerichte nach Art. 15 Brüssel IIa-VO regele. Insbesondere enthalte das Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des Familienrechts - IntFamRVG - eine solche Bestimmung nicht.
Darüber hinaus begründet der BGH die fehlende Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde auch mit der Systematik des IntFamRVG. § 28 IntFamRVG zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde finde sich nicht unter den "allgemeinen gerichtlichen Verfahrensvorschriften", sondern in Abschnitt 5 unter "Zulassung der Zwangsvollstreckung, Anerkennungsfeststellung und Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses". Hieraus folge, dass die Rechtsbeschwerde nicht generell und auch nicht in allen drei Verfahren des Abschnitts 5 zulässig sei, sondern ausschließlich im Verfahren der Zwangsvollstreckung.
Ferner hat der BGH in seiner Entscheidung bestätigt, dass Entscheidungen des Beschwerdegerichts in Verfahren nach Art. 15 Brüssel IIa-VO lediglich Zwischenentscheidungen seien, die mit der Rechtsbeschwerde nach § 621e Abs. 2 ZPO angegriffen werden könnten. Gegen die Entscheidung des AG sei ausschließlich die Erstbeschwerde nach § 621a Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 19, 64 Abs. 3 FGG vorgesehen. Eine materielle Prüfung, ob die Aufhebung der Verweisung an das Pariser FamG gerechtfertigt gewesen sei, habe demzufolge nicht stattgefunden.
Hinweis
Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 15 Brüssel IIa-VO kommt eine Verweisung nur in Ausnahmefällen in Betracht. Schon im Interesse des Kindeswohls bedarf einer möglichst raschen Klärung, welches von zwei Familiengerichten in verschiedenen Mitgliedstaaten für ein Verfahren zuständig sein soll. Ein kurzer Instanzenzug in diesen Ausnahmefällen ist daher positiv zu bewerten.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 02.04.2008, XII ZB 134/06