Leitsatz
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen das FamG eine Amtsaufklärungspflicht zum Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem biologischen Kind des anfechtenden Vaters und dem rechtlichen Vater hat.
Sachverhalt
Der Kläger begehrte die Feststellung, dass er und nicht der mit der Kindesmutter zusammenlebende Beklagte zu 2) der Vater der am 19.04.2004 geborenen Beklagten zu 1) ist. Der Beklagte zu 2) hatte die Vaterschaft mit Zustimmung der Kindesmutter anerkannt.
Das FamG gab der Klage nach Einholung eines Abstammungsgutachtens durch ein nicht mit Tatbestand und Entscheidungsgründen versehenes Urteil statt. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) änderte das Berufungsgericht die angefochtene Entscheidung und wies die Klage ab. Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebte.
Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BGH hat die Revision zurückgewiesen und unter Bezugnahme auf das nach Erlass des Berufungsurteils ergangene Senatsurteil vom 6.12.2006 (XII ZR 164/04, FamRZ 2007, 538) daran festgehalten, dass es auf die Sachlage zum Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung abzustellen sei.
Zu den Voraussetzungen einer sozial-familiären Beziehung des Kindes zum rechtlichen Vater, die zur Unbegründetheit einer Anfechtungsklage des biologischen Vaters nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB führe, hat der BGH ausgeführt, dass § 1600 Abs. 4 S. 2 BGB an ein längeres Zusammenleben des rechtlichen Vaters mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lediglich die Regelannahme für eine anfängliche Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründe. Letztere reiche indes für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung nicht aus, weil diese nach § 1600 Abs. 4 S. 1 BGB voraussetze, dass der rechtliche Vater die einmal übernommene Verantwortung noch trage, diese also auch über den Zeitpunkt ihrer erstmaligen Übernahme hinaus weiterhin von ihm wahrgenommen werde. Die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung begründe ihrerseits noch keine Regelannahme dahin, dass diese Verantwortung auch weiterhin wahrgenommen werde und somit eine sozial-familiäre Beziehung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Tatsachenverhandlung noch bestehe (BGH BGHZ 170, 161, 172 = FamRZ 2007, 541 unter II 4b cc).
Der Kläger habe keine objektiven Anhaltspunkte vorgetragen, die gegen eine sozial-familiäre Beziehung sprechen könnten. Aufgrund dessen habe das Berufungsgericht auch nicht im Hinblick auf den Amtsermittlungsgrundsatz Anlass zu Nachforschungen gehabt und insbesondere nicht das Jugendamt anhören müssen. Zu einer entsprechenden Gesetzesänderung des § 640d ZPO sei es nur für den Fall der Anfechtung durch die zuständige Behörde in der Neufassung ab 01.06.2008 gekommen. Auch die Tatsache, dass der Beklagte zu 2) nicht selbst Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt habe, habe keine Zweifel an seinem Verantwortungswillen erwecken müssen, da er das Weiterbetreiben des Verfahrens der Beklagten zu 1) habe überlassen können und zudem an der Berufungsverhandlung teilgenommen habe.
Schließlich habe das Berufungsgericht auch keine Prognosen über die Beziehung zwischen dem Beklagten und der Kindesmutter, auf die es nach § 1600 Abs. 2 BGB auch nicht ankomme, sowie zwischen den Beklagten treffen müssen, nachdem diese mehr als zwei Jahre in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hätten und es somit nicht fraglich erscheine, dass die Übernahme der tatsächlichen Verantwortung auf Dauer angelegt sei.
Hinweis
Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH hat der die Anfechtung betreibende biologische Vater kaum begründete Aussichten, seiner Darlegungslast auch nur soweit nachzukommen, dass die weitere Amtsermittlungspflicht des Gerichts einsetzt. Tatsächlich dürfte es für die neue Familie ein Leichtes sein, ihre persönlichen Verhältnisse soweit bedeckt zu halten, dass der biologische Vater echten Einblick nicht nehmen kann.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 30.07.2008, XII ZR 150/06