Leitsatz
Die Insolvenzordnung gibt dem Insolvenzverwalter eine Reihe von Möglichkeiten an die Hand, Rechtsgeschäfte anzufechten, die der Insolvenzschuldner zeitlich vor der Insolvenzanordnung vorgenommen hat (§§ 129ff. InsO). Hiervon werden nach einem neueren BGH-Urteil auch vertraglich reguläre Leistungen an den Geschäftsführer erfasst, sofern die Insolvenz zum Leistungszeitpunkt absehbar war.
Sachverhalt
Im Urteilsfall war die Insolvenzschuldnerin vertraglich verpflichtet, für ihren Geschäftsführer monatlich in eine Lebensversicherung einzuzahlen. Im Juni 2009 eröffnete das zuständige Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter focht die Prämienzahlungen des vorangegangenen Jahres auf die Lebensversicherung des Geschäftsführers an. Zur Begründung verwies er darauf, dass die wirtschaftliche Krise des Unternehmens seit mindestens einem Jahr andauere. Er forderte vom Geschäftsführer die Zahlung der Einjahresprämie in die Insolvenzmasse. Nachdem das Amtsgericht der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben hatte, wies das LG die Klage ab. Die Schuldnerin habe mit der Tätigkeit des Geschäftsführers eine angemessene und gleichwertige Gegenleistung erhalten. Auch habe bei der Erteilung der Ermächtigung der Versicherung zur Einziehung der Prämien im Lastschriftverfahren eine Insolvenz noch nicht gedroht. Es sei schon vor Beginn der Unternehmenskrise wirksam über die Prämienzahlungen verfügt worden.
Der BGH folgte dieser Rechtsauslegung nicht. Bereits 1997 habe er klargestellt, dass Prämienzahlungen in eine Direktversicherung der Anfechtung unterlägen, wenn sie nach Eintritt der wirtschaftlichen Krise des Unternehmens erfolgten und wenn sie den Rückkaufswert der Direktversicherung erhöhten. In diesem Fall sei die Insolvenzanfechtung das geeignete Instrument zur Rückführung von Vermögenswerten in die Masse.
Auch ist laut BGH die Auffassung des LG rechtsfehlerhaft, wegen der seitens des Geschäftsführers durch seine Tätigkeit erbrachten Gegenleistung seien die Prämienzahlungen nicht Gläubiger benachteiligend. Der Nachteil für die Gläubiger sei schon darin zu sehen, dass die vom Geschäftsführer erbrachten Leistungen anders als die abgeflossenen Zahlungsmittel nicht dem Zugriff der Gläubiger unterlägen. Dies könnte im Einzelfall dann anders zu beurteilen sein, wenn ein ernsthafter und aussichtsreicher Sanierungsversuch der Schuldnerin bei wertender Betrachtungsweise eine Gläubigerbenachteiligung nicht erkenne lasse. Ein solcher Sanierungsversuch sei hier nicht erfolgt.
Nach Auffassung des BGH hatte das Berufungsgericht auch den anfechtungsrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt verkannt. Keinesfalls komme es auf den Zeitpunkt der Erteilung der Einzugsermächtigung gegenüber der Versicherung an. Nach § 140 InsO sei entscheidend der Zeitpunkt der Wirksamkeit jeder einzelnen Abbuchung und das sei deren Genehmigung.
Der BGH lässt erkennen, dass der Insolvenzverwalter möglicherweise nicht nur die gezahlten Prämien zurückverlangen könnte, sondern auch die "Herausgabe" der durch die Prämienzahlungen eingetretenen Wertsteigerung der Direktversicherung in Betracht käme. Da der Insolvenzverwalter dies nicht gefordert hatte, ließ der BGH die Frage aber offen. Das LG muss sich mit dem Fall nochmals befassen, da noch nicht geklärt ist, ab welchem Zeitpunkt der Geschäftsführer die drohende Insolvenz erkannt hatte oder ob aus anderen Gründen von einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung auszugehen sei.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 12.01.2012, IX ZR 95/11.