Leitsatz
Der Unterhaltsschuldner hatte sich in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Das OLG hatte sich im Rahmen eines Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Anforderungen an den Vortrag des Unterhaltsschuldners zu stellen sind, der eine Herabsetzung des durch Jugendamtsurkunde titulierten Kindesunterhalts begehrt.
Sachverhalt
Der Antragsteller hat im August 2004 Jugendamtsurkunden errichten lassen, in denen er eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen drei minderjährigen Kindern i.H.v. jeweils 150 % des Regelbetrages nach § 2 Regelbetrag VO anerkannte. Damals hatte der Antragsteller seine Einkünfte im Wesentlichen aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Zum 1.7.2006 wechselte er in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu seinem früheren Mitgesellschafter. Zum 1.1.2007 wurde er wieder selbständig und bezog seit 13.7.2007 Leistungen nach dem SGB II. Mit seiner beabsichtigten Unterhaltsabänderungsklage machte er geltend, sein Einkommen sei jedenfalls seit dem 1.7.2006 nachhaltig niedriger als zuvor, so dass er unterhaltsrechtlich nicht mehr leistungsfähig sei.
Das FamG wies seinen Antrag auf Prozesskostenhilfe zurück.
Die hiergegen von dem Antragsteller eingelegte sofortige Beschwerde hat das OLG mangels Erfolgsaussicht der in Aussicht genommenen Klage zurückgewiesen.
Entscheidung
In seiner Entscheidung hat das OLG hierzu ausgeführt, der Vortrag des Antragstellers lasse nicht erkennen, welche Einkünfte und Aufwendungen der Titulierung zugrunde gelegt worden seien und aus welchen Gründen er nunmehr geringeres Einkommen erziele.
Es genüge nicht, lediglich die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abänderungsverlangens darzulegen. Vielmehr müsse sich aus dem Vortrag des Unterhaltsschuldners, der mit der Abänderungsklage die Reduzierung seiner Unterhaltslast erstrebe, entnehmen lassen, dass sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Erstellung des Unterhaltstitels wesentlich verschlechtert hätten. Wer als Unterhaltsschuldner seine Unterhaltsverpflichtung im Rahmen der Erstellung einer Jugendamtsurkunde anerkannt habe, könne sich nur nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage von der eingegangenen Bindung lösen.
Hinweis
Das OLG Dresden knüpft mit seiner Entscheidung an die Rechtsprechung des BGH an, der zufolge sich die von dem Unterhaltsverpflichteten im Klagewege betriebene Abänderung von Jugendamtsurkunden mit dem Ziel einer Reduzierung der Unterhaltslast nach materiellem Recht richtet und die Neufestsetzung nicht frei von den Grundlage des abzuändernden Titel erfolgt, sondern nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (vgl. BGH, Urt. v. 02.10.2002 in FamRZ 2003, 304).
Das OLG Dresden hat in seiner Entscheidung nicht differenziert zwischen Jugendamtsurkunden, mit denen ein vollstreckbarer Titel über Kindesunterhalt auf der Grundlage einer zuvor von den Parteien getroffenen Vereinbarung geschaffen wird, und solchen Jugendamtsurkunden, denen lediglich ein Schuldbekenntnis des zum Kindesunterhalt Verpflichteten zugrunde liegt. Ohne Unterscheidung insoweit kommt das OLG zu dem Ergebnis, ein Unterhaltsschuldner, der seine Zahlungsverpflichtung durch Jugendamtsurkunde anerkannt habe, könne eine Abänderung dieses Alttitels nur nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erreichen.
Für die anwaltliche Praxis gilt Folgendes: Soll eine durch Jugendamtsurkunde übernommene Kindesunterhaltsverpflichtung in einem gerichtlichen Verfahren abgeändert werden, ist sowohl für den Unterhaltsgläubiger als auch für den Unterhaltsschuldner die Abänderungsklage nach § 323 ZPO die richtige Klageart. Dies gilt unabhängig davon, ob der Errichtung der Urkunde eine vertragliche Abrede der Parteien über den titulierten Unterhaltsanspruch zugrunde liegt.
Bei den Voraussetzungen für die inhaltliche Abänderung hingegen ist zu differenzieren. Handelt es sich um eine Abänderungsklage des unterhaltsberechtigten Kindes und beruht die Titulierung des Kindesunterhalts durch Jugendamtsurkunde auf einer Vereinbarung der Parteien, so richtet sich die Abänderung nach materiellem Recht. Sie erfolgt nicht unabhängig von den Grundlagen des zur Abänderung anstehenden Titels, sondern nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage. Prüfungsmaßstab ist daher § 313 BGB.
Bezieht sich die Abänderungsklage des Unterhaltsberechtigten auf eine auf Veranlassung des Verpflichteten errichtete Jugendamtsurkunde, der keine Vereinbarung der Parteien zugrunde lag, ist der Berechtigte nicht an die Umstände zum Zeitpunkt der Erstellung des Titels gebunden. Die Unterhaltshöhe kann in diesem Fall frei an die zum Entscheidungszeitpunkt ausschlaggebenden tatsächlichen Verhältnisse angepasst werden.
Link zur Entscheidung
OLG Dresden, Beschluss vom 11.02.2008, 20 WF 0674/07