Leitsatz
Die Beklagte war von der Klägerin vor dem LG auf Rückzahlung eines gekündigten Kredits in Anspruch genommen worden. Im Rahmen dieses Verfahrens erhob sie Widerklage auf Auskunftserteilung durch nachvollziehbare Abrechnung über verschiedene bei der Klägerin geführte Konten. Insbesondere verlangte sie Angaben darüber, welche Beträge mit welcher Wertstellung der Klägerin durch die Verwertung verschiedener Sicherheiten zugeflossen waren. Zugleich hat die Beklagte, der für die Verteidigung gegen die Klage bereits ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, Prozesskostenhilfe auch für die Widerklage beantragt.
Das LG hat mit Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass der Beklagten der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch grundsätzlich zustehe, allerdings Zug um Zug gegen Erstattung der von der Klägerin noch zu beziffernden Kosten für die von ihr begehrte Auskunftserteilung. Die Klägerin hat dann sukzessive Auskunft erteilt. Das LG hat daraufhin die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Widerklage abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte sofortige Beschwerde eingelegt, die - nachdem das LG ihr nicht abgeholfen hat - beim OLG erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die sofortige Beschwerde für begründet und vertrat die Auffassung, dass bei der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, sondern diejenige im Zeitpunkt der Bewilligungsreife maßgeblich sei (OLG Saarbrücken v. 7.1.2005 - 8 W 26/04-39, OLGReport Saarbrücken 2005, 556; ebenso OLG Hamburg v. 6.8.2003 - 4 So 3/02, FamRZ 2005, 44 ff.).
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG gebiete Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG die weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes. Der Staat müsse den Zugang zu den Gerichten jedermann in gleicher Weise öffnen. Es sei verfassungsrechtlich zwar unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg habe und nicht mutwillig erscheine, die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung müssten sich jedoch an dem in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Gedanken der Rechtsschutzgleichheit orientieren, damit der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu ermöglichen, nicht verfehlt werde.
Diesem Gedanken widerspreche es, wenn das Gericht über einen Bewilligungsantrag, der bei Befolgung der Vorschriften über das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren längst spruchreif gewesen wäre, erst aufgrund von tatsächlichen, die Erfolgsaussichten beeinträchtigenden Erkenntnissen oder Umständen entscheide, die zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife noch nicht vorlagen.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Beschluss vom 19.09.2005, 8 W 271/05-42