Leitsatz
Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss muss ein Mindestmaß an Darlegungsanforderungen erfüllen.
Sachverhalt
Die Beschwerdeführer verteidigten einen Mandanten in einem Strafverfahren vor einer großen Strafkammer des Landgerichts. Der Kammer gehörte ein Richter an, der den Mandanten in einem früheren Verfahren als Anwalt verteidigt hatte. Der Mandant lehnte diesen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ab, unter anderem weil ihm in dem früheren Verfahren gravierende Fehler unterlaufen seien. In der Folgezeit leitete die Staatsanwaltschaft gegen die Beschwerdeführer ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der versuchten Nötigung ein. Das Amtsgericht ordnete die Durchsuchung der Kanzleiräume der Beschwerdeführer an. Die bisherigen Ermittlungen hätten Anhaltspunkte ergeben, dass die Beschwerdeführer durch Recherchen im persönlichen Lebensbereich und in Bezug auf die frühere Anwaltstätigkeit des Richters auf diesen Druck ausüben wollten, damit er sich selbst für befangen erkläre. Rechtsmittel gegen die Maßnahme blieben ohne Ergebnis. Das BVerfG gab den Beschwerdeführern dagegen Recht.
Entscheidung
In einem Durchsuchungsbeschluss muss der Ermittlungsrichter ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten schildern, das die Voraussetzungen eines Strafgesetzes erfüllt. Die Schilderung braucht nicht so vollständig zu sein wie die Sachverhaltsdarstellung in einer Anklage oder einem Urteil. Es müssen aber ein Verhalten oder sonstige Umstände geschildert werden, die alle wesentlichen Merkmale des Straftatbestands erfüllen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene Richter sich den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs auch von der Schwere der vorgeworfenen Tat abhängt.
Gegenstand des anhängigen Verfahrens war der Vorwurf der versuchten Nötigung. Dieser Strafvorwurf verlangt, dass der Beschuldigte mit der Anwendung eines Nötigungsmittel beginnt. Das Amtsgericht hat nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführer irgendetwas unternommen hätten, um dem mit der Sache befassten Richter zu drohen. Als ihnen angelastetes Verhalten werden Recherchen im persönlichen Lebensbereich des Richters genannt. Als Drohung hätte der Richter dieses Verhalten allenfalls dann verstehen können, wenn es ihm überhaupt bekannt gewesen wäre. Hierfür waren dem angefochtenen Beschluss aber keinerlei Anhaltspunkte zu entnehmen. Er war dementsprechend rechtswidrig.
Praxishinweis
Grundsätzlich kann die erforderliche Begründung nach Auffassung des BVerfG auch noch in der Rechtsmittelinstanz nachgeholt werden. In der zu entscheidenden Sache hatte das Landgericht die Beschwerde der Beschuldigten mit dem Hinweis verworfen, dass eine (unbekannte) dritte Person bei dem betroffenen Richter angerufen und kompromittierende Veröffentlichungen in Aussicht gestellt habe. Es hätte dann aber einer konkreten Schilderung bedurft, auf welche Weise die Beschwerdeführer diesen Anruf hätten veranlasst haben können. Auch die Schilderung eines möglichen Tatplans bzw. -ablaufs wäre unverzichtbar gewesen.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss vom 07.09.2006, 2 BvR 1219/05