Leitsatz
Die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten müssen bereits im Anklagesatz genügend konkretisiert sein.
Sachverhalt
Die Staatsanwaltschaft warf dem Angeklagten bandenmäßigen Betrug in mehr als hundert Fällen vor. Der Anklagesatz der dem Gericht vorgelegten Anklageschrift beschrieb allgemein den Tatplan und die Tatausführung. Einzelheiten zu den insgesamt mehr als 1000 Verkaufsvorgängen benannte erst das Ergebnis der Ermittlungen, das im Prozess nicht verlesen worden war. Der Angeklagte wurde vom LG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren sowie anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Der BGH hob dieses Urteil auf und verwies die Sache zurück, weil die Anklageschrift mangelhaft war.
Entscheidung
Der Anklagesatz genügt den Anforderungen des § 200 StPO nicht. Danach sind die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, dass die Identität des Vorgangs dargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen des Täters unterscheiden lassen. Dabei muss die Schilderung umso konkreter sein, je größer die allgemeine Möglichkeit ist, dass der Angeklagte verwechselbare weitere Straftaten gleicher Art verübt hat. Danach ist bei einer Serie von Straftaten erforderlich, dass die dem Angeklagten im einzelnen vorgeworfenen Tathandlungen nach Tatzeit, Tatort, Tatausführung und anderen individualisierenden Merkmalen ausreichend beschrieben und dargelegt werden. So genügt es grundsätzlich nicht, den Tatzeitraum nach Beginn und Ende einzugrenzen, die in allen Fällen gleichartige Begehungsweise allgemein zu schildern und dabei den betrügerisch herbeigeführten Gesamtschaden zu beziffern.
Die danach erforderliche hinreichende Konkretisierung der Tat muss sich grundsätzlich schon aus dem Anklagesatz ergeben, um der Informationsfunktion der Anklage gerecht zu werden. Die Verlesung des Anklagesatzes bezweckt, diejenigen Richter – insbesondere die Schöffen –, denen der Inhalt der Anklage noch nicht bekannt ist, sowie die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten, auf welchen Vorgang sich das Verfahren bezieht, und es ihnen zu ermöglichen, während der ganzen Verhandlung ihr Augenmerk auf die Umstände zu richten, auf die es in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ankommt. Den Prozessbeteiligten soll Gewissheit darüber vermittelt werden, auf welche Tat sie ihr Angriffs- und Verteidigungsvorbringen einzurichten haben. Diese Kriterien waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Praxishinweis
Eine Anklage, die eine Steuerhinterziehung zum Gegenstand hat, muss demnach die tatsächlichen Grundlagen des materiellen Steueranspruchs, den der Täter verletzt haben soll, explizit darzustellen. Ferner gehören zu den Essentialia Angaben zum konkreten Täterverhalten, zum betroffenen Steuerabschnitt sowie zur Höhe der verkürzten Steuer, wobei sich die Berechnung des Verkürzungsbetrags gleichfalls aus der Anklage ergeben muss. Diese Anforderungen gelten auch für Strafbefehlsanträge.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 28.4.2006, 2 StR 174/05