Leitsatz

Hat das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag eines Gläubigers als zulässig bewertet und dies aktenkundig gemacht, ist das Gericht dadurch im weiteren Verlauf des Eröffnungsverfahrens nicht von der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen entbunden. Bestreitet der Schuldner angebliche Forderungen, so muss der Gläubiger diese beweisen.

 

Sachverhalt

Der Schuldner betreibt eine Arztpraxis. Er hat seit 1999 keine Steuererklärungen mehr abgegeben. Laut Finanzamt bestanden im November 2003 Rückstände an Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von 72212 EUR zuzüglich Säumniszuschlägen. Wegen dieser Rückstände hat das beteiligte Land die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beantragt. Zur Glaubhaftmachung hat die Finanzverwaltung Kontoauszüge, worin die Rückstände nach Steuerart und Vorgang, Datum und offenem Betrag aufgeführt sind, sowie eine Fruchtlosigkeitsbescheinigung eines von ihr mit der Beitreibung beauftragten Vollziehungsbeamten vorgelegt. Darin ist weiter festgehalten, dass der Schuldner keine Angaben über seine Vermögensverhältnisse mache. Der Schuldner ist dem Antrag entgegengetreten. Die Forderungen der Finanzverwaltung beruhten auf unzutreffenden Feststellungen der Steuerfahndung. Unter Berücksichtigung der zuvor gezahlten Steuern verblieben nahezu keine Verbindlichkeiten. Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren eröffnet und einen Insolvenzverwalter bestellt. Das LG hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Dessen Rechtsbeschwerde war erfolgreich.

 

Entscheidung

Das Insolvenzverfahren wird gemäß § 13 InsO nur auf Antrag eröffnet. Ein solcher Antrag ist nach § 14 InsO nur zulässig, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat und seine Forderung und den Eröffnungsgrund glaubhaft macht. Hat das Insolvenzgericht den Antrag ausdrücklich zugelassen, ist diese Bewertung keine eigenständige Zwischenentscheidung und deshalb nicht gesondert mit Rechtsmitteln anfechtbar. Allerdings müssen die Gerichte in allen Verfahrensstadien prüfen, ob Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen. Dann ist der Eröffnungsantrag ohne weitere Prüfung als unzulässig abzuweisen.

Auch Forderungen öffentlicher Träger müssen schlüssig darlegt werden[1]. Bei Insolvenzanträgen der Finanzverwaltung ist als Mindestanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen des Schuldners zu verlangen. Ein Kontoauszug des sachbearbeitenden Finanzamts ist dagegen nur eine interne Verwaltungshilfe und als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht ausreichend.

Im Streitfall hatte sich das Amtsgericht in Verkennung dieser ständigen Rechtsprechung mit der Vorlage zweier den Schuldner betreffenden Kontoauszüge begnügt. Schon aus diesem Grund war der Eröffnungsbeschluss aufzuheben.

 

Praxishinweis

Der Senat weist darauf hin, dass Zahlungsunwilligkeit keinen Insolvenzgrund darstellt. Bestreitet der Schuldner geltend gemachte Forderungen, müssen diese bewiesen sein[2]. Insoweit hat das Finanzamt die Steuerbescheide vorzulegen. Auch muss das Insolvenzgericht den Stand etwaiger finanzgerichtlicher Verfahren prüfen. Zweifel gehen dabei allein zu Lasten des angeblichen Gläubigers[3]. Bloße Angaben des Insolvenzverwalters, der sich wiederum allein auf telefonische Auskünfte des zuständigen Veranlagungssachbearbeiters stützt, genügen in diesem Zusammenhang nicht, auch wenn der Schuldner eine "Verweigerungshaltung" an den Tag legt.

 

Link zur Entscheidung

BGH-Beschluss vom 13.6.2006, IX ZB 214/05

[1] Zum Insolvenzantrag einer Krankenkasse ausführlich BGH-Beschluss vom 5.2.2004, IX ZB 29/03, NZI 2004, S. 587
[3] Vgl. BGH-Beschluss vom 11.11.2004, IX ZB 258/03, ZInSO 2005, S. 39

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