Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 10 WEG, § 892 Abs. 1 S. 1 BGB
Kommentar
1. Mit Besitzüberlassung und Eintragung von Auflassungsvormerkungen war eine faktische Gemeinschaft der Beteiligten entstanden, somit bestand auch Beschlussanfechtungsberechtigung des Antragstellers (h.R.M.).
2. Der Bauträger hätte allerdings als teilender Eigentümer für die vorgenommene Abänderung der Teilungserklärung (Änderung der Zweckbestimmung eines Teileigentums nunmehr als Restaurant) zuvor die Zustimmung der Auflassungsvormerkungsberechtigten einholen müssen (h.M.), sich demnach nicht ersatzweise auf die in den Kaufverträgen enthaltenen gleich lautenden Vollmachten zur Änderung der Teilungserklärung berufen dürfen. Die Vollmacht in den Kaufverträgen erfasste hier mangels einer für das Grundbuchverfahren erforderlichen Bestimmtheit und wegen der weitreichenden Folgen für die Erwerber nicht die Änderung der Teilungserklärung hinsichtlich der Nutzung des streitgegenständlichen Teileigentums. Damit war die hier vom Bauträger vorgenommene Änderung der Teilungserklärung unwirksam und mit ihrer Eintragung das Grundbuch unrichtig geworden.
3. Allerdings kam gutgläubiger Erwerb des Antragstellers nach § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB in Betracht. Der gutgläubige Erwerb ist möglich, da sich die Fiktion von der Richtigkeit der Eintragung im Grundbuch auf den Bestand und den Umfang des eingetragenen Rechts sowie auf die Vollständigkeit der Grundbucheintragung erstreckt (vgl. Demharter, DNotZ 91, 28, OLG Stuttgart, OLGZ 86, 35 und BayObLG, DNotZ 90, 381). Obwohl der Antragsteller hier nicht unerheblich an der Bauträger-GmbH beteiligt war, ist mangels einer persönlichen oder wirtschaftlichen Identität der Vertragspartner ein Rechtscheinerwerb auch nicht ausgeschlossen. Nach h.M. kann zwar davon ausgegangen werden, dass der positiven Kenntnis von der Unrichtigkeit des Grundbuches im Einzelfall auch die Kenntnis von Tatsachen gleichgesetzt werden kann, welche die Unrichtigkeit bewirken. Dabei darf aber, um keine Erkundigungspflicht einzuführen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen zu lassen, eine positive Kenntnis nur angenommen werden, wenn der Erwerber Tatsachen kennt, die ihm bei seinen subjektiven Erkenntnismöglichkeiten die Überzeugung von der Unrichtigkeit des Grundbuches geradezu aufdrängen. Nach den bisherigen, vom Landgericht angeführten Tatsachen war hierfür im maßgeblichen Zeitpunkt beim Antragsteller nicht auszugehen. Die Unrichtigkeit des Grundbuches beruhte hier auf fehlender Zustimmung der Vormerkungsberechtigten zur Nutzungsänderung bzw. auf der unzulänglichen Vollmacht in den Kaufverträgen; dies zu erkennen, erfordert Rechts- und Rechtsprechungskenntnisse, die von einem juristischen Laien nicht erwartet werden können. Von offensichtlicher und "greifbarer" Unrichtigkeit des Grundbuches war hier nicht auszugehen. Gerade die beanstandungsfreie Eintragung der Nutzungsänderung ins Grundbuch spricht gegen eine positive Kenntnis des Antragstellers von der Unrichtigkeit des Grundbuches. Damit fehlte dem Antragsteller die erforderliche positive Kenntnis von der Grundbuchunrichtigkeit (das durch den gutgläubigen Erwerb richtig geworden ist), so dass die restlichen Eigentümer im vorliegenden Fall nicht die Unterlassung der Nutzung des Teileigentums als Restaurant durch den Antragsteller beanspruchen und wirksam beschließen konnten; der entsprechende Eigentümer-Beschluss war demgemäß für ungültig zu erklären.
4. Keine außergerichtliche Kostenerstattung in allen Instanzen bei Wertansatz von DM 100.000,-.
Link zur Entscheidung
( OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.04.1997, 20 W 105/96)
zu Gruppe 3: Begründung, Erwerb und Veräußerung; Umwandlung