A. Allgemeine Vorschriften
§ 9 Zuständigkeit im Allgemeinen
(1) Der Gerichtsvollzieher ist zuständig, im Auftrag eines Beteiligten Zustellungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Strafsachen und in nichtgerichtlichen Angelegenheiten durchzuführen, soweit eine Zustellung auf Betreiben der Parteien zugelassen oder vorgeschrieben ist. Ferner hat er im Auftrag des Verhandlungsleiters Schiedssprüche nach dem Arbeitsgerichtsgesetz zuzustellen. Schiedssprüche nach der Zivilprozessordnung stellt der Gerichtsvollzieher zu, wenn er mit der Zustellung beauftragt wird.
(2) Für Zustellungen von Amts wegen ist der Gerichtsvollzieher zuständig, soweit ihm solche Zustellungen durch Gesetz, Rechtsverordnung oder Verwaltungsanordnung übertragen sind oder ihn der Vorsitzende des Prozessgerichts oder ein von diesem bestimmtes Mitglied des Prozessgerichts mit der Ausführung der Zustellung beauftragt. Er führt sie nach den dafür bestehenden besonderen Vorschriften aus.
§ 10 Zustellungsaufträge mit Auslandsbezug (Fn 3)
(1) Gehen dem Gerichtsvollzieher Aufträge in einem Verfahren vor einer ausländischen (nichtdeutschen) Behörde unmittelbar von einer ausländischen Behörde, einem Beteiligten oder einem Beauftragten (zum Beispiel einem deutschen Rechtsanwalt oder Notar) zu, so legt er sie unerledigt seiner vorgesetzten Dienststelle vor und wartet ihre Weisungen ab (§ 126 der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO)). Eine Vorlage ist nicht erforderlich, soweit
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ausländische Schuldtitel zur Vollstreckung geeignet sind (§§ 40, 41), |
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auf der Grundlage des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens vom 20.3.1928 unmittelbare Zustellungen im Parteibetrieb erfolgen sollen, |
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gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke nach Artikel 20 und 21 der Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (ABl L 405 vom 2.12.2020, S. 40; ABl L 173 vom 30.6.2022, S. 133) im Inland unmittelbar durch den Gerichtsvollzieher zugestellt werden können und dieser das hierbei zu beachtende Verfahren einhält. |
Der Empfänger hat ein Annahmeverweigerungsrecht von zwei Wochen, sofern das zuzustellende Schriftstück nicht in einer Sprache abgefasst oder in eine Sprache übersetzt ist, die er versteht oder die Amtssprache am Zustellungsort ist. Der Empfänger ist durch den Gerichtsvollzieher mit dem Formblatt L über sein Annahmeverweigerungsrecht zu belehren, sofern das zuzustellende Schriftstück nicht in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen am Zustellungsort abgefasst oder in diese übersetzt ist. Zu diesem Zweck sollte dem Zustellungsantrag erforderlichenfalls das Formblatt L in der oder einer der Amtssprachen des Ursprungsstaats und der oder einer der Amtssprachen am Zustellungsort beigefügt sein. Bei Anzeichen dafür, dass der Empfänger eine Amtssprache eines weiteren Mitgliedstaates versteht, ist das Formblatt auch in dieser Sprache beizufügen.
(2) Aufträge zu Zustellungen nach Orten außerhalb des Bereichs deutscher Gerichtsbarkeit legt der Gerichtsvollzieher unerledigt seiner vorgesetzten Dienststelle vor und wartet ihre Weisung ab. Für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gelten die besonderen Bestimmungen nach § 15 Absatz 1 Satz 3.
§ 11 Zustellung eines Dokuments an mehrere Beteiligte (Fn 3)
(1) Eine Zustellung an mehrere Beteiligte ist bei der Zustellung eines Dokuments als Schriftstück (§ 193 ZPO) durch Übergabe einer Ausfertigung oder beglaubigten Abschrift und bei der Zustellung eines Dokuments als elektronisches Dokument (§ 193a ZPO) durch Zustellung an jeden einzelnen Beteiligten zu bewirken. Dies gilt auch, wenn die Zustellungsempfänger in häuslicher Gemeinschaft leben (zum Beispiel Ehegatten, Lebenspartner, Eltern, Kinder).
(2) Bei der Zustellung an den Vertreter mehrerer Beteiligter (zum Beispiel den gesetzlichen Vertreter oder Prozessbevollmächtigten) genügt es, wenn dem Vertreter nur eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift eines Schriftstücks übergeben oder das elektronische Dokument einmal zugestellt wird. Einem bloßen Zustellungsbevollmächtigten mehrerer Beteiligter sind in einer einzigen Zustellung so viele Ausfertigungen oder Abschriften eines Schriftstücks zu übergeben, wie Beteiligte vorhanden sind.
(3) Ist der Zustellungsadressat der Zustellung zugleich für seine eigene Person und als Vertreter beteiligt, so muss die Zustellung an ihn in seiner Eigenschaft als Vertreter besonders erfolgen.
§ 12 Zustellung mehrerer Dokumente an einen Beteiligten (Fn 3)
(1) Sind einem Beteiligten mehrere Dokumente zuzustellen, die verschiedene Rechtsangelegenheiten betreffen, so stellt der Gerichtsvollzieher jedes Dokument besonders zu.
(2) Betreffen die Dokumente dieselbe Rechtsangelegenheit, so erledigt der Gerichtsvollzieher den Auftrag durch eine einheitliche Zustellung, wenn die Dokumente als zusammengehörig gekennzeichnet sind oder wenn der Auftraggeber eine gemeinsame Zustellung beant...