Prof. Dr. Volker Römermann
I. Zulassung und Tätigkeit als Rechtsanwalt
Rz. 9
Ausgangspunkt für die Überprüfung der Voraussetzungen zur Erteilung der Befugnis, eine Fachanwaltsbezeichnung zu führen, ist nach §§ 4–6 FAO der Nachweis der besonderen praktischen und theoretischen Kenntnisse.
Rz. 10
Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch zunächst, dass der Antragsteller in den letzten sechs Jahren mindestens drei Jahre hindurch ununterbrochen als Rechtsanwalt i.S.d. §§ 4 ff. BRAO zugelassen und tätig war (§ 3 FAO). Durch dieses Erfordernis wird sichergestellt, dass der Antragsteller über immer noch aktuelle und nicht etwa über lange Zeit zurückliegende anwaltliche Berufserfahrungen verfügt. Dabei verschärft § 5 Abs. 1 Satz 1 FAO noch einmal die Anforderungen, indem er verlangt, dass der Antragsteller "innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung" in seinem Fachgebiet eine bestimmte Anzahl von Fällen bearbeitet haben muss. Fälle, welche vor diesem 3-Jahres-Zeitraum liegen, werden somit nicht berücksichtigt (s. hierzu unter Rdn 37). Bei erneuter Zulassung zur Anwaltschaft nach einem Widerruf soll der Fachanwaltstitel nicht wieder aufleben, vielmehr muss der Antragsteller erneut die Voraussetzungen des § 15 FAO (Fortbildung) und § 5 FAO (Fallbearbeitung) nachweisen.
Hinweis
Für den Nachweis der Zulassung reicht i.d.R. die Vorlage der Zulassungsurkunde oder die Einsichtnahme in die Personalakte durch die zuständige Rechtsanwaltskammer aus.
II. Besondere theoretische Kenntnisse
1. Allgemeines
Rz. 11
Wann die theoretischen (und praktischen) Erfahrungen als "besonders" einzustufen sind, wird durch die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 FAO geregelt: Sie müssen auf dem Fachgebiet erheblich das Maß dessen übersteigen, das üblicherweise durch die berufliche Ausbildung und praktische Erfahrung im Beruf vermittelt wird. Kenntnisse und Erfahrungen müssen also deutlich überdurchschnittlich sein.
Rz. 12
Die theoretischen Kenntnisse können dabei durch die Teilnahme an einem auf die Fachanwaltsbezeichnung vorbereitenden anwaltsspezifischen Lehrgang erworben werden (§ 4 Abs. 1 FAO) oder aber auf anderem Wege, wenn die so erworbenen theoretischen Kenntnisse dem im jeweiligen Fachlehrgang vermittelten Wissen entsprechen (§ 4 Abs. 3 FAO). Eine genaue Definition des Begriffes "Lehrgang" oder der Anforderungen an die Veranstalter solcher Lehrgänge sieht die FAO nicht vor. Welche konkreten theoretischen Kenntnisse in den einzelnen Fachbereichen erworben und nachgewiesen werden müssen, ergibt sich aus den §§ 8–14q FAO.
Rz. 13
§ 14i FAO sieht dabei für den Fachbereich Handels- und Gesellschaftsrecht Folgendes vor:
§ 14i Nachzuweisende besondere Kenntnisse im Handels- und Gesellschaftsrecht
Für das Fachgebiet Handels- und Gesellschaftsrecht sind besondere Kenntnisse nachzuweisen in den Bereichen
1. |
Materielles Handelsrecht
a) |
Recht des Handelsstandes (§§ 1–104 HGB) |
b) |
Recht der Handelsgeschäfte (§§ 343–406 HGB) |
c) |
internationales Kaufrecht, insbesondere UN-Kaufrecht, |
|
2. |
Materielles Gesellschaftsrecht, insbesondere
a) |
das Recht der Personengesellschaften, |
b) |
das Recht der Kapitalgesellschaften, |
c) |
internationales Gesellschaftsrecht, insbesondere Grundzüge des europäischen Gesellschaftsrechts sowie der europäischen Aktiengesellschaft, |
d) |
Konzernrecht, insbesondere das Recht der verbundenen Unternehmen, |
e) |
Umwandlungsrecht, |
f) |
Grundzüge des Bilanz- und Steuerrechts, |
g) |
Grundzüge des Dienstvertrags- und Mitbestimmungsrechts. |
|
3. |
Bezüge des Handels- und Gesellschaftsrechts zum Arbeitsrecht, Kartellrecht, Handwerks- und Gewerberecht, Erb- und Familienrecht, Insolvenz- und Strafrecht sowie Bezüge des Rechts der Aktiengesellschaften zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmerecht. |
4. |
Besonderheiten der Verfahrens- und Prozessführung. |
Die besonderen praktischen Erfahrungen i.S.v. § 5 FAO müssen sich allerdings nicht auf sämtliche in § 14i FAO genannten Teilbereiche beziehen, sondern auf drei verschiedene Bereiche hiervon.
2. Dauer des Fachanwaltslehrgangs und der Klausuren
Rz. 14
Allen Fachanwaltsbereichen gemein ist die Vorgabe des § 4 Abs. 1 FAO, dass der Fachanwaltslehrgang eine Gesamtdauer von mindestens 120 Zeitstunden beinhalten muss. Hierin noch nicht eingerechnet sind die Leistungskontrollen (Aufsichtsarbeiten), deren Voraussetzungen in § 4a FAO geregelt sind. Danach muss eine Aufsichtsarbeit mindestens eine Zeitstunde ausfüllen und darf 5 Zeitstunden nicht überschreiten. Die Gesamtdauer der bestandenen Leistungskontrollen darf 15 Zeitstunden nicht unterschreiten. Dabei darf die Zeitstunde (60 Minuten Dauer) nicht etwa mit den allgemein üblichen Unterrichtseinheiten (45 Minuten Dauer) verwechselt werden!
Rz. 15
Die theoretischen Kenntnisse des angehenden Fachanwalts sollen diesen in die Lage versetzen, die ihm vorgelegten praktischen Fälle qualitativ hochwertig zu bearbeiten. Dass die einmal erworbenen theoretischen Kenntnisse auch bei Antragstellung noch vorhanden sind, wird durch den mit Wirkung vom 1.11.2006 grundlegend geänderten § 4 Abs. 2 FAO gewährleistet. Dieser sieht jährliche Fortbildungen gem. § 15 FAO im Umfang von mindestens 15 Zeitstu...